Full text: Lehrbuch der Experimental-Physik oder Erfahrungs-Naturlehre (Vierter Band)

Elemente des Erdmagnetismus.' 
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wird sich also zu gleicher Zeit durch zwei richtende Kräfte von be 
ständiger Intensität sollicitirt finden, deren aber blos eine eine feste 
Richtung hat, während die andre sich stets mit dem Schiffe, und 
zwar mit ihm um die nämliche Anzahl Grade, dreht. Diese Kennt 
niß reicht hin, das Gesetz für alle Ablenkungen, welche die Nadel 
durch ein solches Zusammenwirken beider Kräfte erfahren muß, in 
Zahlwerthen anzugeben. 
Die Bewährung dieses Gesetzes ist sehr leicht. Man braucht 
nur einen Augenblick zu benutzen, wo das Schiff in einer sichern 
und ruhigen Bucht vor Anker liegt. Hier sucht man am Horizont 
irgend einen entfernten Gegenstand aus, der als Vifirpunct dienen 
kann, richtet die Axe des Fahrzeugs genau nach ihm hin, und mißt 
den Winkel, den dieselbe alsdann mit der Richtung der Magnetna 
del bildet. Darauf dreht man das Fahrzeug um eine gewisse An 
zahl Grade, die man durch Beziehen auf den festen Vifirpunct 
mißt, und bestimmt auch den neuen Winkel, den seine Axe jetzt 
mit der Nadel bildet. Die nämlichen Beobachtungen wiederholt 
man im ganzen Umkreis des Horizonts, bis das Fahrzeug zu seiner 
ersten Lage zurückgekehrt ist. Zu gleicher Zeit befindet sich ein 
andrer Beobachter am Visirpunct selbst, mit einer andern Boussole, 
die mit der ersten wohl verglichen ist, und nimmt den Winkel auf, 
den die Richtung der Nadel mit der, vom Visirpuncte zum Schiffe 
gezogenen, Gesichtslinie bildet. Aus der Uebertragung dieses Win 
kels auf das Schiff ergiebt sich die Größe, um welche die Visirlinie 
.wirklich von dem, durch die bloße Wirkung des Erdmagnetismus 
bestimmten, magnetischen Meridian abwich, woraus sich dann die 
Richtung und Größe der örtlichen Ablenkung herleiten läßt, welche 
die Boussole am Bord in jeder der Lagen, in welche das Schiff 
gebracht worden ist, erfahren hat. Wendet man auf Beobachtun 
gen dieser Art die Formel an, welche sie theoretisch aus der An 
nahme einer beständigen störenden Kraft ergiebt, so findet man sie 
unter Breiten, welche vom magnetischen Aequator nicht sehr entfernt 
sind, ganz gut damit in Uebereinstimmung; allein der Irrthum 
nimmt mit der Annäherung an höhere Breiten zu. 
Daß jedoch die so beobachteten Ablenkungen vom wahren magne 
tischen Meridian nicht einzig auf Rechnung der sich gleichbleibenden 
Wirkung eines dauerhaften, den Eisenmassen im Schiffe eigenthüm 
lichen, Magnetismus zu schreiben sind, dafür liegt ein augenschein 
licher Beweis darin, daß in dem nämlichen und auf die nämliche 
Weise befrachteten, Schiffe die Größe und Gesetze der Veränderun 
gen, welche eine und dieselbe Boussole in ihrer Ablenkung erfährt, 
in dem Maße verwickelter werden, als man sich zu hohem Breiten 
erhebt. Allerdings müßte auch, wenn die dem Schiffe selbst in- 
wohnende und unter allen Breiten sich gleich bleibende magnetische 
Wirkung die ganze Schuld jener Ablenkung trüge, der Erfolg davon 
mit der Annäherung an die magnetischen Pole der Erde sich vev-
	        
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