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Elektromagnetismus.
nehmen lassen und mit einer guten Secundenuhr die Zahl Oscilla
tionen beobachten, die sie in einer gegebenen Zeit unter dem bloßen
Einfluß der Erdkraft vollbringt. Darauf nehme man einen magne-
tisirten Stab von recht unveränderlichem Zustande, und möglichst
großer Lange und Wirkungsstarke, bringe ihn horizontal in die Höhe
der Nadel und in die Verlängerung ihres magnetischen Meridians,
entweder nördlich oder südlich, so daß er immer die der Wirkung
des Erdkörpers entgegenwirkende Richtung hat, d. h. daß sein Süd
pol nördlich, sein Nordpol südlich gekehrt sey. Ist nun der Stab
erst sehr weit von der Nadel entfernt, so wird seine Gesammtwir-
kung auf sie sehr schwach, ja wohl unmerklich seyn, wie man erkennt,
wenn man die Nadel in Oscillation versetzt, die hier fast eben so
schnell, als unter dem bloßen Einfluß der Erde seyn wird. Mit
allmaliger Annäherung des Stabes aber werden die Oscillationen der
Nadel immer langsamer, so daß man zuletzt zu einer Lage des Stabes
gelangt, wo sie dies in dem Grade werden, daß die Gesainmtkraft,
die sie noch sollicitirt, ganz vernachlässigt werden darf. Dieser Grad
wird sich leicht aus den Oscillationen selbst beurtheilen lassen; wenig
stens, wenn der Stab hinlänglich kräftig ist, daß die Entfernung,
wo er die Compensation bewirkt, noch sehr beträchtlich im Verhältniß
zur Länge der Nadel ist, wie wir als Bedingung angaben. Denn
findet diese Bedingung Statt, so werden die Wirkungen des Stabes
auf jeden der Pole nicht merklich verschieden, und die Richtungen
dieser Wirkungen in allen Lagen, in welche die Nadel durch die
Oscillatiqnsbewegungen gebracht werden kann, nicht merklich vom
Parallelismus abweichend seyn *. Dieser Parallelismus der Rich
tung nun hat auch für die Erdkraft Statt, und zwar noch m un
endlich größerer Schärfe (weil die wirkenden Mittelpuncte in der Erde
unendlich entfernter, als der Stab von der Nadel sich befinden). Die
Oscillationsbewegung, welche durch den Unterschied dieser beiden Wir
kungen hervorgebracht wird, wird also gleich derjenigen seyn, die
man durch die Wirkung einer einzigen ganz schwachen richtenden
Kraft hervorbrächte, die immer nach gleichfalls unter einander paral
lelen Richtungen wirkte, welches mit sich bringt, daß die Quadrate
der Oscillationszeiten den Intensitäten der Kraft umgekehrt propor
tional sind, wenn die Oscillationen innerhalb ganz kleiner Bogen
vor sich gehen. Hienach wird man bei jedem Grade der Annähe
rung des Stabes den noch vorhandenen Rückstand richtender Kraft
bestimmen können, und wird bei dem Grade stehen bleiben, wo die
* Da nämlich die magnetische Kraft nach dem Quadrat der Entfernungen
abnimmt, so wird der Kraft-überschuß, mit dem der Stab auf den ihm nähern
Pol der Nadel wirkt, in jedem Fall um so kleiner seyn müssen, und um so eher
vernachlässigt werden können, je weiter sich der Stab selbst von der Nadel ent
fernt findet. Eben so muß der Parallelismus der Kräfte mit größerer Entfernung
des Körpers, auf den sic wirken, zunehmen, indem ihre Richtungen dadurch auf
immer kleinere Winkel gebracht werden.