Full text: Lehrbuch der Experimental-Physik oder Erfahrungs-Naturlehre (Vierter Band)

159 
Elektromagnetismus. 
nehmen lassen und mit einer guten Secundenuhr die Zahl Oscilla 
tionen beobachten, die sie in einer gegebenen Zeit unter dem bloßen 
Einfluß der Erdkraft vollbringt. Darauf nehme man einen magne- 
tisirten Stab von recht unveränderlichem Zustande, und möglichst 
großer Lange und Wirkungsstarke, bringe ihn horizontal in die Höhe 
der Nadel und in die Verlängerung ihres magnetischen Meridians, 
entweder nördlich oder südlich, so daß er immer die der Wirkung 
des Erdkörpers entgegenwirkende Richtung hat, d. h. daß sein Süd 
pol nördlich, sein Nordpol südlich gekehrt sey. Ist nun der Stab 
erst sehr weit von der Nadel entfernt, so wird seine Gesammtwir- 
kung auf sie sehr schwach, ja wohl unmerklich seyn, wie man erkennt, 
wenn man die Nadel in Oscillation versetzt, die hier fast eben so 
schnell, als unter dem bloßen Einfluß der Erde seyn wird. Mit 
allmaliger Annäherung des Stabes aber werden die Oscillationen der 
Nadel immer langsamer, so daß man zuletzt zu einer Lage des Stabes 
gelangt, wo sie dies in dem Grade werden, daß die Gesainmtkraft, 
die sie noch sollicitirt, ganz vernachlässigt werden darf. Dieser Grad 
wird sich leicht aus den Oscillationen selbst beurtheilen lassen; wenig 
stens, wenn der Stab hinlänglich kräftig ist, daß die Entfernung, 
wo er die Compensation bewirkt, noch sehr beträchtlich im Verhältniß 
zur Länge der Nadel ist, wie wir als Bedingung angaben. Denn 
findet diese Bedingung Statt, so werden die Wirkungen des Stabes 
auf jeden der Pole nicht merklich verschieden, und die Richtungen 
dieser Wirkungen in allen Lagen, in welche die Nadel durch die 
Oscillatiqnsbewegungen gebracht werden kann, nicht merklich vom 
Parallelismus abweichend seyn *. Dieser Parallelismus der Rich 
tung nun hat auch für die Erdkraft Statt, und zwar noch m un 
endlich größerer Schärfe (weil die wirkenden Mittelpuncte in der Erde 
unendlich entfernter, als der Stab von der Nadel sich befinden). Die 
Oscillationsbewegung, welche durch den Unterschied dieser beiden Wir 
kungen hervorgebracht wird, wird also gleich derjenigen seyn, die 
man durch die Wirkung einer einzigen ganz schwachen richtenden 
Kraft hervorbrächte, die immer nach gleichfalls unter einander paral 
lelen Richtungen wirkte, welches mit sich bringt, daß die Quadrate 
der Oscillationszeiten den Intensitäten der Kraft umgekehrt propor 
tional sind, wenn die Oscillationen innerhalb ganz kleiner Bogen 
vor sich gehen. Hienach wird man bei jedem Grade der Annähe 
rung des Stabes den noch vorhandenen Rückstand richtender Kraft 
bestimmen können, und wird bei dem Grade stehen bleiben, wo die 
* Da nämlich die magnetische Kraft nach dem Quadrat der Entfernungen 
abnimmt, so wird der Kraft-überschuß, mit dem der Stab auf den ihm nähern 
Pol der Nadel wirkt, in jedem Fall um so kleiner seyn müssen, und um so eher 
vernachlässigt werden können, je weiter sich der Stab selbst von der Nadel ent 
fernt findet. Eben so muß der Parallelismus der Kräfte mit größerer Entfernung 
des Körpers, auf den sic wirken, zunehmen, indem ihre Richtungen dadurch auf 
immer kleinere Winkel gebracht werden.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.