Full text: Lehrbuch der Experimental-Physik oder Erfahrungs-Naturlehre (Vierter Band)

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Von den sphärischen Linsen. 
alle, von der Theorie angegebene, Resultate; wovon man sich über 
zeugen kann, nicht nur, wenn der Gegenstand sehr entfernt ist, 
wie wir vorhin voraussetzten, sondern auch, wenn er sich allmalig 
nähert. Käme er jedoch der Linse ganz nahe, so müßte er sehr 
klein seyn und die brechenden Oberflächen fast senkrecht auf die von 
ihm ausgehenden Stralen gehalten werden, widrigenfalls die Grän 
zen der Einfalls- und Austrittswinkel, welche unsere Annäherungen 
umfassen, überschritten werden würden. 
Beim Anstellen dieser Versuche findet man, daß, um ein deut 
liches Bild zu sehen, das Auge in eine gewisse Entfernung von der 
Linse gebracht werden muß, welche im Allgemeinen für jedes Auge 
verschieden ist. Bringt man das Auge in größere Nähe, so trübt 
sich das Bild und wird verworren. Entfernt man es dagegen 
mehr vom Glase, so wird das Bild kleiner und läßt sich nicht 
mehr deutlich erblicken. Dies hat seinen Grund darin, daß das 
Auge selbst ein optisches Instrument ist, welches die Stralen nur 
dann mit hinlänglicher Genauigkeit zu concentriren vermag, wenn 
die Winkel, unter denen sie auf seine Oberfläche auffallen, gewisse 
Gränzen nicht überschreiten; und man kann auf der andern Seite 
in jener angegebenen Thatsache einen einleuchtenden Beweis für 
eine solche Einrichtung des Auges finden. Gesetzt z. B., der leuch 
tende Punct 8 bringe sein Bild in F, Taf. XIV. Fig\ 49 hervor, 
und dies Bild erschiene deutlich, wenn sich das Auge in OO befin 
det, so wird das Sehen desselben durch einen Stralenkcgel FOO 
bewirkt, der die Oberfläche 00 der Pupille zur Basis und den 
Punct F zur Spitze hat. Kommt das Auge dem Glase näher, 
z. B. bis O'O', so schneidet die Pupille einen mehr geöffneten 
Stralenkegel ab, und die Stralen, wie FO', welche den äußern 
Umkreis dieses Kegels bilden, fallen mithin unter einem beträchtli 
chern Einfallswinkel auf ihre Oberfläche' auf. Wird dieser Einfalls 
winkel groß genug, daß nicht mehr alle Stralen vom Auge auf der 
Retina hinlänglich concentrirt werden, so entsteht nothwendig ver 
worrenes Sehen; auch findet man, daß dem wirklich so ist, wenn 
das Auge der Linse, und mithin dem Zerstreuungspunct F, dem 
gemeinschaftlichen Mittelpunct der austretenden Stralen, zu nahe 
kommt. Wenn dagegen das Auge vom Punct, wo das Sehen 
am deutlichsten ist, weiter zurücktritt, so kommt das Bild, welches 
immer an der nämlichen Stelle bleibt, in einer größer» Entfernung 
von ihm zu stehen, und muß also kleiner und seinen einzelnen 
Theilen nach weniger deutlich erscheinen, wie dies überhaupt bei 
allen Gegenständen, von denen man sich entfernt, Statt hat: auch 
bestätigt dies in der That die Erfahrung. 
Diese Gränze des Abstands, in welcher jeder Beobachter sein 
Auge zu halten genöthigt ist, um so deutlich als möglich zu sehen, 
ist bei verschicdnem Gesicht verschieden. Die Personen, welche man 
kurzsichtig nennt, müssen sich dem Zerstreuungspunct F mehr
	        
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