Full text: Lehrbuch der Experimental-Physik oder Erfahrungs-Naturlehre (Vierter Band)

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Von den sphärischen linsen. 
nähern; die weitsichtigen dagegen sich entfernter davon halten. 
Alles dies findet sehr leicht seine Erklärung darin, daß dieser Zer- 
fireuungspunct, von welchem aus die Stralen divergiren, wirklich 
ganz die Stelle eines, in F befindlichen, Gegenstandes vertritt. 
Diesen zu sehen nun, muß jeder sein Auge in die Entfernung brin 
gen, worin er es gewöhnlich halt, um einen Gegenstand möglichst 
deutlich zu erblicken. Gewöhnlich betragt diele Entfernung (Seh 
weite) acht bis zehn Zoll (210 bis 260 Millimeter), wenn es 
sich um deutliches Sehen kleiner Gegenstände handelt; weit größer 
aber wird sie für manche Leute, welche Gegenstände in einer so 
kleinen Entfernung gar nicht zu unterscheiden vermögen; dagegen sie 
sich bei andern, die ein sehr schlechtes Gesicht haben, wohl bis auf 
zwei bis drei Zoll (50 bis 80 Millimeter) verkürzt. Hierauf beruht 
der Unterschied zwischen Weitsichtigen und Kurzsichtigen. 
Hiermit ist nicht gesagt, daß das Vermögen deutlich zu sehen 
für jedes Auge auf eine einzige Gränze des Abstandes beschränkt 
sey. Vielmehr besitzt das Auge eine gewisse Fähigkeit, sich den 
Entfernungen der Gegenstände, bis zu einem gewissen Grade, anzu 
passen. Will man aber seinen Gebrauch über die Gränzen, die 
ihm in dieser Hinsicht vorgesteckt sind (Gränzen des deutlichen 
Sehens), hinaus ausdehnen, so werden die Bilder verworren, 
und es hat kein vollkommenes Sehen mehr Statt. Auch vermögen 
selbst die weitsichtigsten Leute gleich den andern die Gegenstände 
ihren einzelnen Theilen nach nicht mehr zu unterscheiden, wenn sie 
in zu große Entfernung von denselben kommen. Für Kurzsichtige 
aber hört das deutliche Erblicken derselben schon in viel geringerer 
Entfernung auf. 
Man kann diesem Mangel dadurch abhelfen, daß man ein 
Zerstreuungsglas zwischen die Gegenstände und das Auge bringt, 
wie Taf. XIV. Füg. 49 darstellt. Denn da ein solches Glas den 
wirklichen Gegenständen die, in ihrem Zerstreuungspunck entstehen 
den, Bilder derselben unterschiebt, so braucht man die Brennweite 
nur so einzurichten, daß sie der Sehweite des Auges, für welches 
man das Glas bestimmt, gleich ist. Bringt man alsdann das Glas 
ganz nahe vor das Auge, so wird der Kurzsichtige die entfernten 
Gegenstände eben so deutlich erblicken, als wenn sie sich ihm ganz 
nahe befänden; obwohl er sie in Gedanken immer wieder in die wirkli 
chen Entfernungen versetzt, wo er ihre eigentliche Gegenwart anneh 
men muß. Die nämlichen Gläser aber wird er, wenigstens wenn er sie 
ganz nahe am Auge anbringt, nicht zum Sehen sehr naher Gegen 
stände gebrauchen können; denn da alsdann die Zerstreuungspuncte 
der davon ausgehenden Stralen sich näher am Glase bilden, so 
würden ihre Bilder dem Auge zu nahe kommen, um noch eine 
deutliche Wahrnehmung ohne Ermüdung dieses Organs zu gestatten. 
Man wird also für solche Gegenstände Gläser von größerer Brenn 
weite anzuwenden haben, oder besser, sich hiebei derselben enthalten;
	        
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