Full text: Lehrbuch der Experimental-Physik oder Erfahrungs-Naturlehre (Vierter Band)

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Von den sphärischen Linsen. 
der nämlichen Seite der Linse befindet, so glaubt er es doch nicht 
an dieser Stelle zu sehen; es scheint ihm vielmehr auf der nämlichen 
Seite mit dem Gegenstände, und in größerer Entfernung oder grö 
ßerer Nähe als dieser zu liegen, je nach den Beweggründen, die 
sein Urtheil in dieser Hinsicht anderweitig bestimmen. 
Hat man solchergestalt das Auge in die Lage gebracht, wo das 
Bild am deutlichsten erscheint, und mißt den Abstand des Auges von 
der Linse, so findet man, daß er der Brennweite der Parallelstralen, 
plus dem Abstande, in welchem gewöhnlich das deutliche Sehen 
Statt hat, gleich ist. Dies ist eine fernere Bestätigung des Satzes, 
daß das Auge sich gerade so stellen muß, um das Bild zu betrach 
ten, als wenn dasselbe ein wirklicher Gegenstand wäre, und daß es 
den nämlichen Eindruck davon empfängt. Auch alles Andre spricht 
hiefür. Denn entfernt man sich weiter vom Glase, so erscheint das 
Bild kleiner, und seinen einzelnen Theilen nach minder deutlich un 
terscheidbar. Nähert man sich dagegen mehr, so trübt sich das Bild 
und wird verworren, als wenn man es mit Betrachtung eines zu 
nahen Gegenstandes zu thun hätte. In diesem letztern Fall scheint 
auch seine Größe zuzunehmen, wie die eines Gegenstandes, dem 
man nahe kommt, und man fühlt sich versucht, es für minder ent 
fernt anzunehmen. Ganz verworren und undeutlich endlich wird es, 
wenn das Auge in den Brennpunct selbst gelangt. Aber, was vor 
züglich bemerkenswerth ist, wenn man das Auge dem Glase noch 
mehr nähert, so sieht man das Bild von Neuem sich gestalten, wo 
es dann aufrecht und sehr trübe ist. Seine Richtung ändert sich 
nun bei weiterer Annäherung des Auges ans Glas nicht mehr; 
allein seine Verworrenheit mindert sich, und endlich erblickt man den 
Gegenstand mit seinen Umrissen und seinen natürlichen Dimensionen 
ziemlich wohl, wenn das Auge seine Stellung auf der Oberfläche 
des Glases selbst nimmt, zumal wenn man die Oeffnung der Pupille 
verengert, indem man durch ein kleines, in ein Kartenblatt gesto 
chenes, Loch hindurchblickt. 
Bei diesen letzten Versuchen gelangen die Stralen convergirend 
zum Auge; und, weil das Bild auch hier noch zur Wahrnehmung 
gelangt, so hat man zu schließen, daß das Sehen auch auf solche 
Weise Statt haben kann, obwohl mit ohne Vergleich minderer 
Deutlichkeit, als wenn es durch divergirende Stralen bewirkt wird. 
Hier entsteht nun aber die Frage, warum das Bild aufrecht 
erscheint, und in dem Maße deutlicher wird, als sich das Auge dem 
Glase nähert. Diese Fragen gründlich aufzulösen, müssen wir zu 
vörderst den einfachen Fall untersuchen, wo der siralende Gegenstand 
sich auf einen sehr entfernten leuchtenden Punct reducirt. Dieser 
Fall wird z. B. verwirklicht, wenn man durch ein Collectivglas die 
Venus oder irgend einen sehr glänzenden Stern betrachtet. Befindet 
sich für diesen Fall, welcher durch Taf. XIV. Füg. 54 versinnlicht 
wird, das Auge in 00, jenseits des Brennpuncts der Parallelstra
	        
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