Full text: Lehrbuch der Experimental-Physik oder Erfahrungs-Naturlehre (Vierter Band)

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Von der doppelten Stralenbrechung. 
Im Fall der gewöhnlichen Brechung ist die endliche Geschwin 
digkeit beständig, indem die Ablenkung des gewöhnlichen Strals in 
einem und demselben Körper sich gleich bleibt, nach welcher Rich 
tung man ihn auch prüfen mag, sobald der Einfallswinkel gleich 
bleibt, und im umgebenden Mittel keine Veränderung eintritt. Auch 
ergiebt sich für die Annahme einer beständigen Geschwindigkeit im 
Innern des brechenden Körpers, aus den Gleichungen, zu denen der 
Satz der kleinsten Wirkung geführt hat, daß die Brechung in der 
Verlängerung der Einfallsebene selbst nach dem beständigen Verhältniß 
der Sinus vor sich geht, welches in der That das physische Gesetz 
der gewöhnlichen Brechung in allen bisher bekannten Körpern ist. 
Hienach mußte man leicht auf den Gedanken kommen, daß die 
ungewöhnliche Brechung ihren Grund in einer, je nach der Richtung 
des Strals zu den Axen des Krystalls veränderlichen, Geschwindig 
keit habe. Was nun zuvörderst die Krystalle mit einer einzigen Axe 
betrifft, so fanden wir, daß die doppelte Brechung symmetrisch um 
ihre Axe Statt habe, und daß sie, erst null nach der Richtung dieser 
Axe selbst, ihr Maximum erreichte, wenn die Stralen sie unter 
rechten Winkeln schnitten. Man muß also für diese Krystalle bei den 
Gesetzen stehen bleiben, welche diesen Charakteren genügen. La place 
versuchte es mit folgendem: 
y' 2 = v a -f- k sin. 2 U 
wo y die gewöhnliche, Y die ungewöhnliche Geschwindigkeit, II den 
Winkel, den der ungewöhnliche Stral mit der Axe bildet, und k 
einen, für jeden Krystall beständigen, Coefficienten bedeutet. Durch 
Substitution dieses Gesetzes der Geschwindigkeit in die Gleichungen 
des Satzes der kleinsten Wirkung kam er sogleich auf das Huy- 
ghens'sche Gesetz. Dies Gesetz war vollständig bisher nur für den 
Isländischen Spath in der Erfahrung nachgewiesen worden, ich habe 
es auch für den Bergkrystall und mehrere andere Substanzen nach 
gewiesen. Im Allgemeinen ist der Coefficient k in den Krystallen 
mit doppelter anziehender Brechung positiv, wohin der Bergkrystall 
gehört, in den andern negativ. Sein absoluter Werth ändert sich 
überdies von einer Substanz zur andern, zeigt selbst manchmal Ver 
änderungen in Proben einer und derselben mineralogischen Art, wel 
ches von leichten Verschiedenheiten in der Zusammensetzung oder dem 
Gefüge herrühren kann; aber unter diesen Modificationen gilt das 
nämliche Gesetz der Geschwindigkeiten für alle bis jetzt beobachtete 
einaxige Krystalle. 
Was nun die zweiaxigen Krystalle betrifft, so erhellt, daß die 
ungewöhnliche Geschwindigkeit Y von den beiden Winkeln II, IT ab 
hängen muß, welche jede der Axen mit dem gebrochenen Stral bildet. 
Man wird sich sonach durch die Analogie bewogen finden, zu ver 
suchen, ob das Quadrat dieser Geschwindigkeit hier nicht auch durch 
eine Function zweiter Ordnung, nur aber eine allgemeinere, auf beide 
Winkel Bezug habende, ausgedrückt werden könne. Nun werden in
	        
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