Full text: Lehrbuch der Experimental-Physik oder Erfahrungs-Naturlehre (Vierter Band)

347 
Von der doppelten Stralenbrechung. 
jedem zweiaxigen Krystall die Brechungen gleich, wenn der gebro 
chene Stral der einen oder der andern beider Axen folgt. Dies er- 
fodert, daß dann die ungewöhnliche Geschwindigkeit der gewöhnlichen 
gleich werde. Diese Bedingung beschrankt die Allgemeinheit der Func- 
tion der zweiten Ordnung und bringt sie auf folgende Form: 
\' 2 = y 1 -f- sin. U sin. U', 
d. h. es bleibt blos das Product der beiden Sinus darin 
Durch Einführung dieser Formeln in die Gleichungen des Satzes 
der kleinsten Wirkung erhält man die Bestimmung des Ganges der 
Stralen für alle Falle, und es bleibt blos noch zu untersuchen übrig, 
ob sie sich mit der Erfahrung in Uebereinstimmung zeigt. Diese Un 
tersuchung mit Scharfe anzustellen, habe ich, mittelst der Methode 
der Coincidenzen und mit Hülfe des S. 336 beschriebenen Apparats 
eme sehr große Menge Beobachtungen am weißen Sächsischen Topas, 
am gelben Topas von Brasilien, dem wasserlosen schwefelsauren Kalk 
und dem Euklas angestellt, welches zweiaxige Krystalle von ganz ab 
weichender Gestalt und Zusammensetzung sind. Die durch die Erfah 
rung erhaltenen Maße zeigten sich in durchgängiger und vollkommener 
Einstimmung mit den Formeln. Die nämliche Uebereinstimmung fand 
ich für mehrere andere Krystalle, bei Anwendung desselben Gesetzes 
auf eine andre, aber doch mit der doppelten Brechung in Bezug 
stehende, Klasse von Erscheinungen. Die Gesammtheit dieser Unter 
suchungen scheint keinen Zweifel übrig zu lassen, daß dies Gesetz, auf 
welches ohnehin so starke Analogien deuten, in der Natur gegründet 
sey. Man kann bemerken, daß das Huyghens'sche Gesetz für die 
einaxigcn Krystalle als besonderer Fall darin enthalten ist, wenn man 
nämlich diese Krystalle als mit zwei zusammenfallenden Axen, «deren 
Neigungswinkel mithin null ist, versehen betrachtet. Dann nämlich 
werden die beiden Winkel II, IT, welche der gebrochene Stral mit 
den beiden Axen bildet, gleich, und das Q-uadrat der Geschwindig 
keit findet sich blos noch durch das Quadrat ihres Sinus vermehrt. 
Was diese Uebereinstimmung noch vollständig macht, ist, daß diese 
Analogie sich auch, wie wir noch weiterhin sehen werden, auf eine 
andere Wirkungart erstreckt, welche die krystallisirten Körper auf das 
Licht äußern, und die ich schon unter dem Namen Polarisation 
des Lichtes erwähnt habe. Bei dieser Untersuchung Hatteich aber 
vorausgesetzt, daß immer eine der beiden Geschwindigkeiten in einem 
und demselben Krystall, unter welcher Richtung auch der Stral 
durchgehen möchte, beständig sey. In der That hatte man diese An 
sicht damals noch allgemein, und da sich, wenn dieselbe zu Grunde 
gelegt und der Satz der kleinsten Wirkung darauf angewandt ward, 
alle von mir beobachteten Erscheinungen des Au sein and er 
weich ens mit einer Genauigkeit danach ergaben, welche, selbst in 
i Ich habe dies Gesetz mit den Beobachtungen, auf die es sich stützt, dem 
Institut am 29. Marz 1819 vorgelegt.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.