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Mikrometer mit doppelten Bildenr.
die aber sämmtlich von sehr kleinem Winkel und so aneinander ge
leimt sind, daß alle Hauptschnitte genau auf derselben Richtung
zusammenfallen. In einem solchen System nämlich nimmt die
Spaltung der Stralen mit der Zahl der Doppelprismen zu; und
der Einfluß der veränderlichen Einfallswinkel auf das Auseinander
weichen der Bilder ist dabei weit weniger merklich, als bei einem
einzigen Prisma, welches ein gleiches Auseinanderweichen hervor
bringen würde, wovon man sich leicht durch die Theorie den Grund
angeben kann. Man muß aber die größte Sorge tragen, daß die
Prismen genau nach der Richtung ihrer Hauptschnitte übereinander
zu liegen kommen; damit nicht mehr Bilder als zwei entstehen,
auch sind gewisse Vorsichtsmaßregeln beim Schneiden der Prismen
zu beobachten,'damit sie keine Färbung hervorbringen. Die Menge
dieser zu beobachtenden Umstände macht dies Verfahren beinahe un
ausführbar, wenigstens für astronomische Untersuchungen.
Alle unsere Erörterungen waren in der Voraussetzung geführt,
daß man die Bilder FF', ff', "welche das Objectivglas in seinem
Brennpunct bildet, mit bloßem Auge beobachtete. In der Regel be
trachtet inan diese Bilder durch eine Lupe, oder ein System von Lupen,
welches so angeordnet ist, daß es eine Vergrößerung der Bilder ge
währt, ohne sie undeutlich zu machen. Dies System wird das ocli
la r e genannt, weil man es nahe ans Auge bringt, so wie andrerseits
das vorderste Glas des Fernrohrs den Namen Vorderglas oder
Objectivglas führt, weil es den Gegenständen zugekehrt ist.
Aber eben aus dem Grunde, weil die Wirkung des Oeularglases
erst nach Entstehung der doppelten Bilder eintritt, kann es begreif
lich auf das Statthaben oder Nicht - Statthaben ihrer Berührung
von keinem Einfluß seyn, dient vielmehr blos, dasselbe mit größe
rer Schärfe erkennen zu lassen. Alle unsre Erörterungen, die wir
unter der Voraussetzung des Sehens mit bloßem Auge machten,
gelten mithin auch noch, wenn das Auge sich der Hülfe eines
Oeularglases bedient; und deshalb haben wir diese Modifikation
bei der Auseinandersetzung der Resultate in keinen besondern Betracht
gezogen.
Bei der Berühmtheit, die das Rochonsche Mikrometer erlangt
hat, und den häufigen Anwendungen, die man von dem zu Grunde
liegenden Verfahren macht, glaubte ich mich einer ausführlichen
Auseinandersetzung in Bezug darauf nicht überheben zu dürfen.
Immer jedoch führt es auch seine Uebelstände mit sich, zumal
wenn es bei starken Vergrößerungen, wie sie astronomische Beob
achtungen erfodern, angewandt wird. Für diesen Fall hat Arago
eine andre Anwendungsart der doppelten Brechung erfunden, die
durchaus vorzuziehen ist, und auf die ich weiterhin zurückkom
men werde.
Biot's Experimental-Physik. IV.
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