Full text: Lehrbuch der Experimental-Physik oder Erfahrungs-Naturlehre (Vierter Band)

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Farbenzerstremmg, 
hervorgebrachte Farbenbild recht deutlich, und die Farben darin recht 
unterschieden erscheinen, muß man die Tafel in eine Entfernung 
von fünf bis sechs Meter bringen. Nach so getroffenen Maßregeln 
bringt man das Prisma wieder langsam zur Drehung um seine Axe, 
und zwar abwechselnd von Links nach Rechts und von Rechts nach 
Links. Man findet so, daß, nachdem man das Bild immer mehr 
nach einer Seite hat fortrücken lassen, eine gewisse Gränze eintritt, 
von wo, wenn man noch weiter dreht, das Bild nach der entge 
gengesetzten Richtung zurückgeht, so daß es zwischen diesen beiden 
entgegengesetzten Bewegungen einen Augenblick stationär bleibt. Wenn 
man diesen Punct des Gleichgewichts gefunden hat, so befestigt man 
das Prisma darin, und die Berechnung zeigt, daß es sich alsdann, 
mit sehr geringer Abweichung, in der, Taf. XV. Fig. iOL, ange 
gebenen Lage befindet, d. h. wo die Einfallswinkel den Austritts- 
winkeln gleich find. Diese Lage gewährt daher sehr große Vortheile. 
Denn nicht allein kennt man unmittelbar durch Berechnung die Ein 
falls- und Austrittswinkel, welche derselben entsprechen, und sieht 
sich hiedurch einer Messung derselben überhoben; sondern man weiß 
auch, daß, wenn alle Stralen, aus welchen das einfallende Licht 
besteht, das nämliche Verhältniß des Brechungssinus zum Einfalls- 
finus befolgen, sie nach der Brechung ein gebrochenes Bild des Ge 
genstandes geben müssen, welches seinem directen gleich ist, d. h. in 
unserm Fall, ein rundes Bild, welches an Größe dem scheinbaren 
Durchmesser der Sonnenscheibe, wie sie vom Punct F aus erscheint, 
gleich und noch um ein Halblicht vergrößert ist, gleich dem Durch 
messer FF' der Oeffnung, wo sich die Stralen kreuzen. 
Nun zeigt sich, wenn man den Versuch unter so getroffenen 
Maßregeln anstellt, das gebrochene Bild Vit keinesweges kreisför 
mig ; es stellt vielmehr auf der weißen Tafel, auf welcher es sich 
projicirt, ein längliches Farbenbild dar, welches zwei horizontale 
gerade Linien zu Seiten hat und an seinen beiden Enden von zwei 
Halbkreisen begränzt ist. Das ain wenigsten abgelenkte Ende R ist 
tiefroth gefärbt, das andre Ende V, wo die Brechung am stärksten 
ist, dunkel violet; zwischen diesen äußersten Farben entdeckt man eine 
unendliche Menge Abstufungen. Diese Verlängerung des Bildes 
rührt nicht etwa von einer Unvollkommenheit des Prisma's her, wie 
etwa Unreinigkeiten in seiner Masse, oder Ungleichheiten in seiner 
Politur; denn alle durchsichtigen Prismen, aus was für Stoffen sie 
auch bestehen mögen, selbst wenn sie hohl und mit den klarsten Flüs 
sigkeiten gefüllt sind, bringen einen ähnlichen Unterschied hervor; die 
Unterschiede betreffen blos die absolute Länge des Farbenbildes, die 
je nach dem Brechungsvermögen und dem brechenden Winkel des 
Prisma's mehr oder minder beträchtlich ist. Die Verlängerung des 
gebrochenen Bildes ist sonach eine standhaft vorkommende Erschei 
nung, welche mit dem Wesen der Brechung selbst zusammenhängt, 
und man sieht sich demzufolge genöthigt, den Schluß zu ziehen, daß
	        
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