Full text: Lehrbuch der Experimental-Physik oder Erfahrungs-Naturlehre (Vierter Band)

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Wir wollen eine Magnetnadel A'B'C'D', Taf. IX, Fig-, 21, 
betrachten, die horizontal an einer Vereinigung ungedrehter Seiden 
faden aufgehangen ist, indem man sie entweder unmittelbar an diese 
Faden befestigt, oder in einen kleinen, daran angeknüpften, Ring von 
Papier oder Kupfer eingelegt hat. Wenn diese Nadel zur Ruhe gekom- 
men ist, so wird ihre magnetische Axe mm.' die Richtung vom magne 
tischen Meridian des Orts haben. Dies reicht aber nicht hin, sie 
wirklich erkennen zu lassen, weil sie keine sichtbare Spur in der 
Nadel zeigt; aus den uns bekannten Eigenschaften jedoch, die dem 
Mittelpuncte paralleler Kräfte zukommen, fließt, daß, welche Lage 
man auch der Nadel geben mag, diese Axe darin fest bleiben und 
unveränderlich die nämliche Lage in Bezug zu den Oberflächen, welche 
die Masse der Nadel begränzen, behalten muß. Wir wollen also, 
durch Visiren nach irgend einem Gegenstand auf der Erde, die Rich 
tung einer der Seiten AB der Nadel, wenn dieselbe zur Ruhe ge 
kommen ist, beobachten; sie darauf umwenden, so daß Oben Unten 
wird, und dann in horizontaler Lage wieder an ihre vorige Stelle 
bringen, indem wir sie an der nämlichen Vereinigung von Fäden alö 
vorhin aufhängen. Die magnetische Axe mm' wird sich wieder in 
den magnetischen Meridian richten; die Seiten der Nadel aber wer 
den, da sie im Kreise um diese Axe gedreht worden sind, sich nicht 
mehr auf den nämlichen Richtungen, als vorher befinden, und waS 
das Wesentlichste ist, sie werden vom magnetischen Meridian eben 
so weit, als vorhin abweichen, nur nach der entgegengesetzten Rich 
tung, wie die Figur zeigt, wo durch die punctirten Linien AZFD 
die Lage der Seiten nach dem Umwenden vorgestellt ist. Hat man 
also, wie erinnert wurde, die Richtung einer der Seiten A'B' der 
Nadel in der ersten Lage beobachtet, und dasselbe bei der zweiten 
Lage hinsichtlich derselben, zu AB gewordenen, Seite gethan, so wird 
die wahre Richtung des magnetischen Meridians genau die mittlere 
Zwischen diesen beiden Richtungen seyn; man wird sie somit erkennen 
und auf der Nadel verzeichnen, oder die Puncte des Raums bemerken 
können, welchen ihre Verlängerung entspricht. 
Ein ähnliches Verfahren hat man bei den Neigungsnadeln an 
zuwenden, um die währe Größe ihrer magnetischen Neigung zu finden. 
Es sey Taf. IX. Fig-. 22 eine solche Nadel, genau in ihrem Schwer- 
punct C aufgehangen, und man habe den Punct des Verticalkreises 
beobachtet, bei dem sie stehen bleibt, wenn eine ihrer Flächen, die 
ich durch O bezeichnen will, nach Osten vom magnetischen Meridian 
gekehrt ist. Dann wird die magnetische Axe mm' sich in der Rich 
tung der beiden magnetischen Mittelkräfte befinden, und der, von 
dieser Axe mit der Horizontale gebildete, Winkel wird die gesuchte 
Neigung seyn. Allein die nicht sichtbare Linie mm'. Füg-. 22, ver 
stattet keine unmittelbare Beobachtung an der gegebenen Nadel. Man 
drehe also das Instrument so um, daß die bisher nach Osten sehende 
Fläche O der Nadel jetzt nach Westen gerichtet sey; die Linie mm' 
Biot's Experimental-Physik. IV. 3
	        
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