Full text: Lehrbuch der Experimental-Physik oder Erfahrungs-Naturlehre (Vierter Band)

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Goethe'6 Furbcutheorie. 
dieselben gehalten, wenn sie gleich, neben einander liegend, etwas 
unterschieden werden. Die grüne Farbe macht einen etwas verschie 
denen Eindruck, je nachdem die Gegenstände mehr oder weniger 
stark erleuchtet sind, indem manche Arten grünen Zeugs bei Hellem 
Lichte gelb, im Schatten, oder selbst bei gewöhnlichem Tageslichte, 
unrein blau erscheinen. 
Dieselben Schwierigkeiten veranlassen die verschiedenen Arten 
von Roth. Zinnober und die ähnlichen Nuancen scheinen gelb, 
Karmin und die verwandten Arten blau, so z.B. ein rother Officiers- 
rock gelb, die Schärpe blau, flüssige rothe Dinte gelb, aus Papier 
gewischt und getrocknet, blau. 
So verhält es sich beim Tageslicht. Die einzige, beim Kerzen 
licht Statt findende Verschiedenheit ist, daß Karmin u. s. w. auch 
gelb erscheinen. Zinnober u. s. w. verhalten sich wie am Tage. 
Zwölftes Schaltcapitel. 
Kurze Darstellung der Goethe'schen Farbentheorie. 
Wenn gleich die Goethe'sche Farbentheorie das Interesse, wel 
ches sie erregt hat, mehr dem von andern Seiten her begründeten 
Rufe ihres Urhebers, als einer streng wissenschaftlichen Begründung 
derselben verdanken möchte, so habe ich doch, eben deshalb, weil 
man sich öfter auf dieselbe bezieht, eine kurze Darstellung derselben 
nicht für überflüssig gehalten. 
Hinsichtlich ihrer allgemeinen Würdigung bemerke ich blos Fol 
gendes. Goethe glaubte theils durch seine allgemeine Ansicht von 
der Farbe, theils durch ihre Anwendung auf einzelne Thatsachen, die 
Newton'sche Theorie gestürzt zu haben. Allein was erstre anlangt, 
so läßt sich nicht einmal von einem Verhältniß derselben zur Ncw- 
t o n'schen Ansicht sprechen, weil Goethe blos von zusammengesetzten 
Thatsachen ausgeht, und sogar nicht bestimmt, welche Grundvor 
stellung er eigentlich für Licht und Finstres, Helles und Dunkles zu 
Grunde legt, so daß es wohl möglich wäre, daß bei einer nähern 
Bestimmung dieser Puncte die Goethe'sche Ansicht mit der New- 
ton'schen oder Huyghens'schen auf irgend eine Weise zusammen 
träfe. Was aber die Angriffe Goethe's gegen Newton's Theorie 
von einzelnen Thatsachen aus anlangt, so haben gründliche Physiker 
die Irrthümer hinlänglich nachgewiesen, welche Goethe bei dieser 
Art der Widerlegung begangen 
Jedenfalls bleibt der G o eth e'jchen Ansicht über die Entstehung 
der Farben das eigenthümliche Verdienst, eine große Anzahl von 
Farbenerscheinungen unter eine allgemeine, leicht faßliche, Thatsache 
* Bergt, z. B. Brandes in Gehlers Wörrerb. -- Mollweide Prüf, 
der Farbenlehre von Goethe. Halle. 1810.
	        
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