Vorwort.
Unter den Wissenschaftszweigen, die man häufig unter dem allgemeinen
Namen »angewandte Mathematik« zusammenfasst, befindet sich derjenige Zweig,
der es sich zur Aufgabe macht, die Mathematik, speziell die Sätze der
Wahrscheinlichkeits-Rechnung hei Behandlung statistischer Fra
gen anzuwenden, noch in der ersten Entwickelung.
Die geringe Anzahl von Arbeiten dieser Richtung, die bis jetzt bekannt
geworden sind und von denen die wichtigsten und in die folgenden Betrach
tungen einschlagenden, Erwähnung finden werden, sind als die ersten Anfänge
einer neuen Wissenschaft anzusehen, für welche der Name »mathematische
oder analytische Statistik« in Vorschlag gekommen ist.
Schon diese Anfänge zeigen aber, welche grosse Zukunft unserer heutigen
Statistik noch bevorsteht und lassen erwarten, dass in der Statistik im Verein
mit der Analysis eine Wissenschaft erblühen wird, die wie keine andere auf
die Mathematik gegründete, selbst Astronomie, Mechanik, Physik nicht aus
genommen, den grössten Einfluss auf die Entwickelung unserer Cultur üben wird.
Bis jetzt sind fast ausschliesslich nur gewisse Theile der Bevölkerungs
statistik Gegenstand mathematischer Untersuchungen geworden, weil solche zu
nächst Anknüpfungspunkte für analytische Behandlung geboten haben und weil
sich allen denjenigen Mathematikern, die sich mit der Untersuchung und Organi
sation von Lebensversicherungs-Anstalten zu beschäftigen hatten, zunächst die
Frage aufdrängen musste, ob das vorhandene statistische Material als zu
verlässig genug angesehen werden könne, um darauf die so ausserordentlich
wichtigen Versicherungsrechnungen zu basiren.
Diese von einsichtigen Mathematikern angestellten Prüfungen haben nun
keineswegs zu befriedigenden Resultaten geführt, vielmehr den Beweis geliefert,
dass es, zunächst wenigstens in der Bevölkerungsstatistik, drin
gend noth wendig ist, für den beobachtenden Statistiker auf Grund analyti
scher Voruntersuchungen Regeln abzuleiten, nach denen er seine Beobachtun
gen anzustellen und das erhaltene Material zu ordnen hat, damit es dann für
weitere analytische Untersuchungen verwerthet werden kann; denn nur die
Analysis kann uns zur Feststellung rationeller Beobachtungsmethoden führen
und andrerseits wieder als Basis dienen bei der Diskussion der Beobachtungs
resultate und der Erforschung der Naturgesetze, denen die beobachteten Er
scheinungen unterworfen sind.
Schon die ersten Schritte einer mathematischen Behandlung der Frage über
Sterblichkeit und menschliche Lebensdauer führten auf die Unhaltbarkeit der
bis dahin bei Aufstellung von Mortalitätstafeln befolgten Methoden und lassen
den grossem Theil der bis jetzt vorhandenen Tabellen solcher Art von zweifel
haftem Werthe erscheinen; unter solchen Verhältnissen sind natürlich auch die
aus solchen Untersuchungen abgeleiteten sogenannten Gesetze über Sterblich
keit keineswegs als so sicher begründet anzusehen, wie es in statistischen
Schriften oft dargestellt wird.
Im Weitern hat sich aber auch herausgestellt, dass die Resultate von Volks
zählungen, die Zusammenstellungen in Todtenlisten, die Beobachtungen über
Zusammensetzung der Bevölkerungen nach Altersklassen, Geschlecht u. s. w.
von den statistischen Centralstellen meist nicht in einer für analytische Unter
suchungen geeigneten Weise veröffentlicht werden, während wieder andere Fra
gen, die speziell auch noch für das Versicherungswesen von hervorragender