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sie vielmehr schon ein Product der Umsetzung des Essigs ist, und daß
in dem Maße, als sie sich in demselben vermehrt, sein Gehalt an Es
sigsäure abnimmt. Demnach bringt sie der Essigfabrication, wenn sie
entsteht, nur Nachtheil und nicht Vortheil. Der nähern Betrachtung
dieses merkwürdigen Körpers, die Resultate der neuesten Untersuchun
gen von Mulder über denselben enthaltend, haben wir daher einen
eigenen Absatz gewidmet.
Da nun aber der Essig selbst sich unter allen Umständen als das
kräftigste Essigferment erwiesen hat, so entsteht wohl billig die Frage:
2« welcher Art wirkt dabei der Essig und inwiefern gebührt ihm da
bei der Name eines wirklichen Essigferments? Diese Frage mit Sicher
heit zu beantworten, dürfte wohl noch eine Unmöglichkeit sein; allein
es sei mir erlaubt, eine Ansicht darüber auszusprechen.
Der Alkohol übergeht nicht auf einmal, sondern durch mehre
Zwischenstufen in Essigsäure, wovon man den Übergang desselben in
Aldehyd und den dieses Körpers in Essigsäure deutlich nachweisen
kann; es ist aber noch unbestimmt, ob sich das Aldehyd, bevor es in
Essigsäure übergeht, nicht erst noch in Aldehydsäure (acetylige oder
essige Säure) umwandelt. Die Aldehydsäure geht durch Orydation
sehr leicht in Essigsäure über.
Wenn nun zur Erzeugung des Essiggutes eine alkoholhaltige
Flüssigkeit welcher Art immer mit bereits fertigem Essig gemischt wird,
so kann die vorhandene Essigsäure auf einen proportionalen Antheil
des vorhandenen Alkohols in der Art einwirken, daß unter erfolgender
Desorydation der Essigsäure und Dehydrogenisation des Alkohols Al
dehyd und Wasser gebildet werden, welches erstere nun durch Ory
dation mittelst der atmosphärischen Luft in Essigsäure übergeht, nach
der Formel (S. 190):
(C4 Hio 0 + aq) -\- (C 4 H 6 O 3 -j- aq) — 2 sC4 Hö 0 + aq) ■+■ 2 aq,
dann: 2 (C 4 11s 0 + aq) -j- 04 — 2 (C 4 He O 3 -f- aq).
Ich will nicht behaupten, daß dem wirklich so sei, aber gewiß ge
winnt die Erklärung der Wirkung des Essigs auf die Umwandlung
des Alkohols in einer alkoholhaltigen Flüssigkeit in Essigsäure dadurch
einen Haltpunct, und in diesem Sinne wäre dann der Essig als ein
Essigferment oder als ein die Essigbildung beförderndes Mittel in der
Essigfabrication zu betrachten, und lassen sich darnach in der That
viele Erscheinungen bei dem Sauerwerden geistiger Getränke und bei
der Essigfabrication erklären, wie z. B. eine Spur entstandener Essig
säure die Essigbildnng in gegohrenen alkoholhaltigen Getränken un
aufhaltsam vorwärts drängt, wie die Essigbildung namentlich in den