Erklärung zu den Kupfertafeln
des VIIL Heftes, erste Abtheilung.
In allgemeiner Hinsicht bemerke ich zunächst zu diesen Entwürfen
Folgendes: .
Da die theils aus den örtlichen Gewohnheiten, theils aus der Lage
und Beschaffenheit der Baustellen an sich, theils aus dem bestimmten
Zwecke hervorgehenden Anforderungen für die innere Einrichtung be-
sonders bei Wohngebäuden so verschieden sind, dass nur ausnahms-
weise ein bereits ausgeführter oder ohne nähere Bestimmung projek-
tirter Entwurf wirklich angewendet werden kann, so ist schon deshalb
den vorliegenden Facaden nur so viel von der dazu gedachten inneren
Einrichtung an Grund- und Durchschnittsrissen beigefügt, als es zur
nähern Erläuterung derselben für nöthig schien.
In Hinsicht der näheren Anwendbarkeit dieser Facaden selbst, die
zwar ebenfalls wegen der Verschiedenheit der Bedürfnisse und der
Lokalität im Allgemeinen auch nur den Werth von Motiven zu ähn-
lichen Gebäuden gewähren können, lässt sich diese besonders dadurch
mit erreichen, dass statt des angenommenen rheinländischen Maases,
ein kleineres oder grösseres Fussmaas substituirt wird, dass die Fen-
sterschäfte breiter oder schmäler gemacht, oder auch dass noch Fen-
ster hinzu gefügt oder hinweg genommen werden. Dabei können
übrigens auch besonders die einfach gehaltenen Entwürfe selbst in den-
jenigen Fällen eine Anwendung abgeben, wo die Umfangswände der
Gebäude noch theilweise oder ganz von Fachwand ausgeführt werden,
und sind hier die abgeschmiegten Ecken an den Thüren, Fenstern etc.
bei einer Holzbekleidung, ähnlich den aus gekehlten Dielen zusam-
mengesetzten Dachgesimsen vortheilhaft zu construiren.
Die an den Facaden angedeutete Quadratur ist, wie bei den äl-
tern Gebäuden in diesem Style, entweder in Werkstücken auszuführen
oder nur scheinbar (gemalt) darzustellen, jedoch in beiden Fällen
ohne geöffnete Fugen zu halten,
Im Betreff der angenommenen flachen Dächer beziehe ich mich,
was das Princip im Allgemeinen anlangt, auf die für dergl. Anlagen
bereits in VI. Hefte d. B. S. 3 gegebene nähere Erklärung, und Be-
vorwortung. Bei den vorliegenden Fällen lässt sich, wie bekannt, der
Dachbodenraum besonders vortheilhaft für Mägde- und Vorrathskam-
mern und zu Trockenböden verwenden. Die Höhe der Frontmauern
an diesen letztern Räumen selbst ist in einer möglichst beschränkten
Weise angenommen, und es wird deshalb, wo die Mehrkosten nicht
sehr zu erwägen sind, oft auch mit Vortheil für die äussere Ansicht
eine Erhöhuug derselben hinzugefügt werden können. AKrhalten diese
Gebäude ein mehr pultförmiges Dach (Taf. I. a), so ist dann ohne-
dem, wenn dabei benutzbare Dachräume bedingt werden, eine solche
Erhöhung nothwendig.
Die bei den Facaden mit hohen Dächern am Dachfusse angenom-
menen Zinnen- oder geländerförmigen Verzierungen, deren Ausführung
theilweise einfach und billig aus gebrannten Steinen herzustellen ist,
können, wenn es der Kostenpunkt sonst bedingt, auch ganz wegfallen.
Dergleichen Anordnungen sind übrigens, ausser der Zierde, welche sie
im Allgemeinen gewähren, auch vortheilhaft für die Abwehr bei Feuers-
gefahr, gegen den Ziegel- und Schneefall auf die Strasse, zur Anlage
der Dachrinnen mit reichlichem Gefälle, bei Dachreparaturen so wie
endlich bei einem Schaugebränge in den Strassen.
Für das Bedürfniss von Dachfenstern sind mit punktirten Linien
auf den Dachflächen mehrfache Motive beigefügt, wobei namentlich
die mittlern Ausgänge bei Fig. 16 und 18 für Fälle berechnet sind,
wo am Dachfusse ein Gang bedingt wird. Zum Behufe der letztern
Anlage selbst ist dann noch besonders eine grössere Zurückschiebung
der Dachflächen, als solche jetzt angenommen ist, bei den betreffen-
den Entwürfen nothwendig.
Bei einigen Facaden sind die Fensteröffnungen theils waagerecht,
iheils spitzbogenförmig geschlossen, welche Zusammenstellung mir
desshalb hier zulässig erschien, weil beide Formen, wie es bei dem
griechischen und dem Rundbogenstyle mit einer Vermischung des
waagerechten und des rundbogigen Schlusses nicht der Fall seyn würde,
in den Grundprinzipien des Spitzbogenstyls enthalten sind. Diese An-
ordnung lässt sich übrigens auch, da schon durch die Verschiedenheit
welche die Fensterrippen gewähren, eine grosse Mannigfaltigkeit erzielt
werden kann, leicht dahin abändern, dass an die Stelle der in den
mittleren Gebäudetheilen gewöhnlich mit spitzbogigem Schluss versehe-
nen Fenster, Fenster mit geraden Stürzen substituirt werden, wozu die
übrigen "Tafeln mehrfache‘ Motive enthalten,
Die spezielle Darstellung und Construktion der einzelnen Theile
von diesen Entwürfen wird, in soweit solches nicht bereits durch das
schon Gegebene als erledigt anzusehen ist, mit in der Fortsetzung
meines Beitrags zur speziellen Construktion des spitzbogigen Baustyls
folgen, sobald ich dieses VII. Heft beendigt habe 1).
Das nähere Studium der einzelnen Theile von dem spitzbogigen
Style kann übrigens nicht genug anempfohlen werden, weil bei dem
) Sollte ich weiterhin noch den beabsichtigten Privat - Lehrkurs über reinen Baustyl
und Entwurf der Gebäude ausführen, so denke ich dann auch ausnahmsweise das
Spezielle des spitzbogigen Styles noch weiter zu berühren,
wesentlichen Einfluss, welchen hier besonders die Profilirung für den
Gesammtblick gewährt, gewissermassen erst dadurch den betreffenden
Bauausführungen die entsprechende Weihe und Kraft gegeben werden
kann 2).
Als nähere Erläuterung füge ich ferner den einzelnen Entwürfen
noch bei:
Taf. X.
Fig. 1 und 2. Facaden zu einfach gehaltenen Wohngebäuden, bei
welchen die gewöhnliche Benutzung oder Vermiethung der
einzelnen Geschosse vorausgesetzt ist.
Die Anwendung der bei Fig. 2 angenommenen gekup-
pelten Fenster ist in den Fällen vorzuziehen, wo eine reich-
liche Lichtgebung oder eine Concentrirung desselben in der
Mitte der Stuben bedingt wird.
Taf. IN.
Fig. 3 und 4. Ansichten zu zwei dergl. Gebäuden, wo an jeden eine
Zusammenstellung von zwei kleinen Häusern angenommen ist.
Durch eine solche Anordnung lässt sich bekanntlich für derg].
kleinere Gebäude ohne eine wesentliche Beeinträchtigung der
Symmetrie zunächst nicht allein ein Zusammenhang der innern
Räume in den ersten Geschossen, sondern auch ein besseres
Verhältniss der Höhe zur Länge des Gebäudes erreichen.
Bei Fig. 4 sind am Dach zwei verschiedene Motive
gegeben.
Taf. EEE.
Facade zu einem dergl. Wohngebäude mit einem Kaufladen,
wobei an letzterem die Eingangsthüre gleichförmig mit der
an der andern Seite gelegenen Hausthüre gehalten ist.
Dieser Entwurf eignet sich auch, wie Fig. 3 und 4, für
die Zusammenstellung von zwei kleinen Gebäuden.
Ansicht von zwei zusammengestellten Häusern von einer un-
gleichen Länge, wobei am grössern in der Mitte des ganzen
Gebäudes ein Kaufladen angenommen ist,
Fig. 5.
Fig. 6,
Taf. AV.
Fig. 7 und 8. Ansichten zu zwei gewöhnlichen Wohngebäuden, bei
welchen eine Vermiethung der einzelnen Geschosse mit vor-
ausgesetzt wurde:
Taf. V.
Fig. 9. Aufriss zu einem dergl. Gebäude mit zwei Kaufläden.
Fig. 10. Entwurf zu einem Gebäude, dessen sämmtliche Räume von
nur einem Besitzer benutzt werden, und wobei namentlich
angenommen ist, dass das erste Geschoss zu untergeordneten
Zwecken benutzt wird,
Bei einer Anwendung dieser Ansicht zu einer Wohnung
für mehre Familien wären dann besonders die Fenster im
ersten Geschoss, wie es auf der einen Seite mit punktirten
Linien angedeutet ist, mehr zu erhöhen,
Taf. VI. VIE. Vıand.
Fig. 11 bis 16. Facaden zu Wohngebäuden für eine ähnliche Be-
stimmung als die Entwürfe von Taf. IV,
Taf. IX. X, XI. XIE.
Fig. 17 bis 24. Ansichten zu dergl. Gebäuden, die im Style reicher
gehalten sind. An Fig. 21 ist dabei eine Zusammenstellung
von zwei kleinen Häusern angenommen.
Bei Fig. 18 bis 24 sind zugleich auf der einen Seite
noch Motive zu Kaufläden beigefügt.
Die vorgehobenen balkonförmigen Fensterbrüstungen im
zweiten Geschoss an Fig. 21, so wie das Dachgeländer bei
Fig. 24 sind aus einem Flechtwerk von einer weinreben-
oder eichenzweigförmigen Gestaltung gedacht,
Bei Fig. 24 sind die Fensterrippen und die vorgescho-
benen Fensterbrüstungen, als aus Gusseisen construirt , ange-
nommen.
Die am Dachraume bei Fig. 24 angeordneten Fenster-
öffnungen sind hier mehr als ein verschiedenes und heson-
ders als ein für solche Zwecke geeignetes Motiv beigefügt,
wo der Dachraum die Bestimmung eines Trocknenbodens hat.
Für gewöhnliche Fälle ist sonst die Anlage dieser Licht-
öflnungen nach Fig. 20 vorzuziehen.
Die Zurücksetzung, ja gewöhnlich gänzliche Vernachlässigung, welche bisher der
spitzbogige oder altdeutsche Styl, sowohl in genereller als spezieller Hinsicht in
unsern betreffenden Lehranstalten erfahren hat, ist sicher ein Gegenstand der eine
nähere Berücksichtigung verdient und verlangt, Welche unersetzliche Verluste ein
solches Verhältniss besonders auch für die Kunst selbst mit veranlasst hat, habe ich
bereits in dem „Allgem. Anz, d. D., Jahrgang 1840, No, 298 und 307 näher berührt