Full text: Geometrie (1. Theil)

Vergessenheit entrissen zu haben; und nichts konnte gün 
stiger Zusammentreffen, als das Erscheinen der Ausdehnungs 
lehre und der von jener Gesellschaft gestellten Preisaufgabe: 
„den von Leibniz erfundenen geometrischen Calcul wieder 
herzustellen und weiter auszubilden, oder einen ihm ähnlichen 
aufzustellen.“ Mit einer kurzen Darstellung der theilweise 
schon weiter ausgeführten Hauptgedanken der Ausdehnungs 
lehre, eingeleitet durch einen kritischen Rückblick auf Leibniz’ 
Bestrebungen, erwarb Grass mann den Preis. Drei Jahre 
später als die Ausdehnungslehre (1847) erschien die Preis 
schrift, gefolgt von einer commentirenden Abhandlung von 
Möbius. In den folgenden zehn Jahren brachte Grelle’s 
Journal eine Reihe von Aufsätzen, in welchen Grassmann 
Anwendungen seiner Analysis auf die höhere Geometrie gab. 
Aus allen diesen Arbeiten ist am bekanntesten die nach dem 
Entdecker genannte Erzeugungsart der Oberflächen 3 ler Ord 
nung. Dahingegen vermochte gerade die wichtigste Arbeit, 
die Ausdehnungslehre, nicht, in grössere Kreise zu dringen 
oder zu weiterer Bearbeitung Anregung zu geben. — Die 
Gründe hierfür sind tlieils in den Zeitverhältnissen, theils in 
der Sache selbst zu suchen. — Ein Zeitalter, welches die 
imaginären Grössen noch als unmögliche ansah, und die 
„nicht-euklidische“ Geometrie mit Kopfschütteln betrachtete, 
konnte natürlich auch an den n Dimensionen der Ausdeh 
nungslehre nur wenig Geschmack finden, und noch weniger 
vielleicht an den ungewohnten Operationen mit ebenso un 
gewohnten Objecten. Dazu kam wohl auch der Umstand, 
dass die mathematischen Kräfte der letzten Jahrzehnte vollauf 
beschäftigt waren mit der Ausbildung der Theorieen eines 
Jacobi, Dirichlet, Steiner, Möbius, Plücker, Hesse 
und Anderer, die alle einen Kreis eifriger Schüler um sich 
sammelten, während dem Verfasser der Ausdehnungslehre 
das Geschick eine gleiche Wirksamkeit versagt hatte. — End 
lich aber darf nicht unberücksichtigt bleiben, dass das Werk 
in seiner mehr philosophischen als mathematischen Form, 
ungewöhnlichen Inhalt in ungewöhnlicher Form bietend, dem 
Studium grosse Schwierigkeiten entgegensetzte, deren Bewäl 
tigung nicht einmal ein sehr lockendes Ziel verhiess. Denn 
die Ideenkreise des Buches lagen von denen der übrigen
	        
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