1. Schneesall.
Das Material, aus welchem die Lauinen sich bilden und
anhäufen, der Schnee, ist je nach der herrschenden Temperatur der
Atmosphäre von verschiedener Beschaffenheit, von welcher wieder die
Art und Weise der Bildung, der Form und des Sturzes der Lauinen
abhängt.
Die Temperaturgrade, bei welchen es schneit, liegen ungefähr
zwischen —f- 4 0 und — 11° C. Im Winter schneit es häufiger unter,
im Frühling häufiger über 0°. Bei hohen Kältegraden schneit es
selten und dann nur in feinen,flimmernden Nadelkryställchen; man
hört deßhalb vom Volk oft sagen: „es ist zu kalt zum Schneien."
Steigt das Thermometer auf -j- 4" 0., so schneit und regnet es
gewöhnlich durcheinander.
Am Großen St. Bernhard soll es, nach erhaltener Mittheilung,
vor einigen Jahren bei -j-8° C. geschneit haben. Es ist dies so
zu erklären, daß die zunächst dem Boden befindliche Luftschicht, in
welcher beobachtet wurde, von sehr geringer Mächtigkeit war, so
daß der in höheren, kälteren Luftschichten gebildete Schnee beim
Durchfallen durch die unterste, warme Schicht nicht genug Zeit fand,
völlig zu schmelzen.
Bei Nordwind schneit es nieist unter 0°, bei südlichen Winden
über 0°. Bei einem längern Schneefall und besonders bei Wechsel
der Windrichtung kann sich die Temperatur und damit auch die
Form des Schnees wesentlich ändern, wie dies vom 16. April 1870
in folgender Zusammenstellung ersichtlich ist.
Die von mir in den Jahren 1878 und 1879 in Bern beobachteten
Temperaturen bei Schneefall sind folgende, wobei ich indeß bemerke,
daß die Beobachtungen nicht ununterbrochen stattfanden: