Ist der Felskern einer Gebirgsseite mit Erde bekleidet, aber
ohne Vegetation, wie wir dies im Hochgebirge häufig treffen, so ist
die Bildung von Lauinen zunächst vom Gefüll, der Steilheit abhängig.
Indeß kommen eine Menge anderer Faktoren mit in's Spiel, so daß
man unmöglich den Elevationswinkel, bei welchem eine Lauine noth
wendigerweise sich bilden müßte, mathematisch genau bezeichnen kann.
Bei den Lauinenverbauungen werden wir darauf zurückkommen.
Vorläufig bemerke ich nur, daß außer dem Gefall die Höhe der
Schneeschicht und die Höhe der Wand, welcher der Schnee aufliegt,
von großem Einfluß sind, indem mit der Schneemaffe auch der
Druck zunimmt.
Wird der Fuß einer Schneewand von einem Bache unterwaschen
oder unterbricht eine Quelle oder sonst ein Umstand den Zusammen
hang der Schneemaffe, so wird dadurch die Bildung von Lauinen ganz
wesentlich begünstigt. Deßhalb ist das Bahnbrechen durch Lauinen-
züge oder auch nur das Durchwaten durch den Schnee sehr gefährlich.
Hart unter dem Berghaus zum Weißenstein am Albulapaß
(Graubünden) bildet sich unmittelbar ob der Landstraße jährlich eine
große Schneegwehte, welche schon mehreren Fuhrleuten und Wegern
durch Nachrutschen des Schnees das Leben genommen.
Letzten Winter brach sich ein allgemein geachteter, junger Mann
aus dem Oberengadin mit Pferd und beladenem Schlitten Bahn
durch dieje verwehte Stelle, der Schnee gerieth in Bewegung und
riß Mann, Pferd und Schlitten mit sich an die Albula hinunter.
Da nicht sofort Hülfe gebracht werden konnte, kamen Mann und
Roß um.
In dem so lauinengefährlichen Thäte St. Antönien (Graubünden)
verfolgte der Jäger Chr. Flütsch 1868, watend durch eine Schnee-
wand, die Spur eines Fuchfes, wodurch er die Bildung einer Lauine
veranlaßte und in derselben den Tod fand.
Auf gleiche Weife gehen jährlich eine Menge Gemsen und anderes
Wild in Lauinen zu Grunde.