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Indessen war die Verbreitung der Lauinen nicht immer dieselbe,
indem sie, abgesehen von den wechselnden Witterungsverhältnissen,
hauptsächlich abhängig war von der Ausdehnung der Gletscher und
der Waldungen; ein je größeres Gebiet diese besetzten, um so geringer
war dasjenige der Lauinen.
Am weitesten zurückgedrängt fanden sich die Lauinen zur Zeit der
großen Gletscher, welche ihre Eismassen in den Alpthälern bis über
die jetzige obere Waldgrenze hinaus anhäuften und dann wieder,
wenn auch nicht in gleichem Maße, kurz vor der ersten Einwanderung
in die Alpen, Ivo die Bäume der Waldungen noch ihre große Ueber-
legenheit im Kampf um's Dasein mit ihren Vegetationsgenossen in
vollem Maße zur Geltung zu bringen vermochten, unbehindert von
den Eingriffen des Menschen in ihre Suprematie.
Heutigen Tages, wo die Gletscher so sehr zurückgetreten und
die Waldungen auf eine, im Verhältniß zu ihrer frühern Ausdehnung
fo kleine Fläche zurückgedrängt sind, konnten die Lauinen zu einer Aus
breitung und Geltung gelangen, wie vielleicht nie zuvor. Hoffen wir, daß
sie, wenigstens den Waldungen gegenüber, ihren Höhepunkt erreicht
haben und von demselben allmälig wieder heruntersteigen müssen.
Noch ist man nicht im Falle, über die Verbreitung der Lauinen
in den Schweizeralpen eine Karte entwerfen zu können; es wird
aber auf Veranlassung des eidg. Handels- und Landwirthschafts-
departements seitens der Kantone an der Aufnahme einer solchen
gearbeitet, ja einzelne Kantone haben dieselbe bereits vollendet.
Unterdessen wurde Hr. Funkhäuser, eidgenössischer Forstadjunkt,
mit der Einzeichnung der Lauinenzüge des Gotthardgebirgsstocks in
die Generalstabskarte im Maßstab von 1: 50,000 beauftragt, welche
hier beiliegt.
Ein Blick auf die Karte zeigt, daß die bisherigen Vorstellungen,
die man von der Verbreitung der Laninen in den Alpen hatte, weit
hinter der Wirklichkeit zurückgeblieben sind. Es darf indeß von
dieser Aufnahme denn doch nicht aus das Gesammtgebiet der Alpen