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Ich hatte alle Zeit, den Lauinenkegel nach den verlornen
Gegenständen abzusuchen, obwohl mit schwacher Hoffnung auf einen
günstigen Erfolg, und doch fand ich an der Oberfläche des Kegels
fast sämmtliche werthvollern Gegenstände wieder.
Im Winter des Jahres 1867 löste sich zum ersten Male von
einigen Felsköpfen aus Mott d'Alp, etwa 2050™ über Meer, in der
Gemeinde Schleins, im Unterengadin, unweit ob der Waldgrenze, eine
Grundlauine und brach sich durch die ganze Waldseite bis hinunter
in die Thalsohle des Inn, auf eine Länge von zirka 3900™. Sie
durchlief eine senkrechte Höhe von 1013™. Die durchzogene Wald
fläche betrug zirka 20 Hektaren und die geworfene Holzmafse bestand
in 1641 Ster Brennholz und 705 Blöcken. Auch dieser Lauinenzug
ist schon seit mehrern Jahren verbaut.
Das zunächst an's Engadin sich anschließende waldarme Thal
Samnaun zählt ebenfalls viele Lauinen (von denen jetzt eine eben
falls verbaut ist), wie auch das Münsterthal und überhaupt alle
Thäler Graubündens auf der Südseite der Alpen.
Mathias Perl von St. Maria (Münsterthal), seiner Zeit Syndakus
im Beltlin, der mit 3 Stab (einigen 30 Pferden) einen schwung
haften Handel mit Salz und Wein von St. Maria über den Umbrail-
paß in's Beltlin trieb, verlor im Ganzen 210 Pferde und 7 Knechte
in Lauinen.
Das Rheinwald vom Splügen an einwärts, ganz besonders
aber die Thalstrecke vom Hinterrhein bis zum Zaportgletscher, zählt
Lauine an Lauine.
Im Oberland sind Safien, Vals, Vrin und Tavetsch reich an
Lauinen; in letztgenannter Thalschaft sprach man ernstlich davon,
die Ortschaft Selva, die von drei Lauinen bedroht ist, zu verlegen.
Am zerstörendsten trat die Lauine von Ruinatsch den 13. Dezember
1808 auf, indem 25 Personen in ihr das Leben verloren, 17 dagegen
noch lebend ausgegraben werden konnten; 6 Häuser und sämmtliche
Ställe, mit Ausnahme eines einzigen, wurden zerstört.