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Zweiter Abschnitt. §. 6.
Verhältniss dieses zu jenem kennt. Man misst daher den erregten Mag
netismus in einem Stabe dadurch, dass man die Stärke des Stromes in
einer Inductionsspirale misst, welche den Magneten, getrennt von der gal
vanischen, seiner Länge nach umgiebt.
Wie schon bemerkt, kann von dem in der ganzen Länge des Magneten
erregten Magnetismus deshalb nur sehr wenig nach aussen zur Wirkung
kommen, weil dem Pole eines jeden Molekules ein ihm entgegengesetzter
zugekehrt ist, so dass sich beide gegenseitig zum grössten Theile in ihrer
Wirkung auf einen entfernter liegenden Punkt auf heben müssen. Derjenige
Theil nun des erregten Magnetismus, welcher nicht neutralisirt wird, wirkt
magnetisirend nach aussen und wird freier Magnetismus genannt. Legt
man einen Magneten senkrecht auf die Richtung des magnetischen Meri
dians und bringt dann in einiger Entfernung eine frei schwebende Magnet
nadel in die Verlängerung seiner Längsaxe, so lenkt der freie Magnetismus
des Magneten die Nadel aus ihrer Richtung ah, und zwar ist die Kraft, mit
der dies geschieht, der Tangente des Ablenkungswinkels proportional. Man
misst daher den freien Magnetismus eines Magneten mittelst einer
solchen Magnetnadel, und nennt eben diese die Nadel ablenkende Kraft
des Magneten den freien Magnetismus desselben.
Lassen wir einen Magneten statt auf einen fertigen Magneten, wie die
Magnetnadel, auf weiches Eisen wirken, so ist der auf dasselbe geübte Ein
fluss ein doppelter. Der Stab aus weichem Eisen wird, wie der Magnet
selbst, polar, und in Folge des in ihm erregten Magnetismus von dem Mag
neten angezogen. Da nun der in dem weichen Eisen erregte Magnetismus
der Intensität des Magneten selbst proportional wachsen muss, so wird die
Kraft, mit der ein Magnet auf weiches Eisen wirkt, nicht der Kraft propor
tional sein, mit welcher er eine zur Sättigung magnetisirte Stahlnadel ab
lenkt, sondern es wird das quadratische Verhältniss jener Wirkung des
freien Magnetismus auftreten. Wir nennen diese Kraftäusserung, mit der
ein Magnet auf einen Anker wirkt, „Anziehung“ im weiteren Sinne des
Wortes.
Die Untersuchungen haben nun ergeben, dass diese Anziehung unter
Umständen sich auf andere Weise äussert, wenn das weiche Eisen (der
Anker) den Magneten unmittelbar berührt, als wenn sie auf den in einiger
Entfernung vom Magneten gehaltenen Anker wirkt. Wir nennen daher zur
Unterscheidung die Anziehung bei Berührung des Magnetpoles mit dem
Ankerpole „Tragkraft,“ dagegen die Anziehung des Magneten auf den
Anker bei Entfernung beider Polflächen von einander, kurz „Anziehung.“