Full text: K - P (4. Band)

Kalender ist Maalsstab für die bürger 
liche Zeit und Zeitrechnung. Die Maafs- 
einheit gibt uns die Natur unmittelbar, 
indem die Erde in constant bleibendem 
Zeitabstande um ihre Axe und in einem 
ebenfalls constant bleibenden Zeitabstande 
um die Sonne sich dreht. Beide Zeit- 
maafseinheiten sind allen Erdbewohnern 
ohne Ausnahme gleich zugänglich, daher 
man sie schon in dem grauesten Alter 
thum und auf allen Orten der Erdober 
fläche als Maafseinheiten anerkannt fin 
det, indem bei Jedermann das Bedürfnifs 
zur Zeitmessung mit seinem ganzen Le 
ben verwebt ist. 
Ungeachtet man nur nöthig hat, den 
scheinbaren Gang der Sonne zu beobach 
ten um das Zeitmaafs zu erhalten, wird 
doch die Zeitmessung dadurch zusammen 
gesetzt und schwierig, dafs es dem Schö 
pfer gefallen hat, beide Zeitabstände, den 
für die Drehung der Erde um ihre Axe 
und den für den Umlauf der Erde in der 
Ekliptik, nämlich die Zeit eines Tages 
und die Zeit eines Jahres mit einander 
incommensurabel zu machen. Beider 
bedürren wir aber, denn w f ir haben täg 
lich wiederkehrende und jährlich wieder 
kehrende Lebensverhältnisse, Verrichtun 
gen, solche die nach Theilen des Tages 
und solche, die nach Theilen des Jahres 
abgemessen werden. Der Naturforscher 
zählt nach Secunden, der Geschichtsfor 
scher nach Jahren und nach Perioden 
von Jahrhunderten. 
Der künstliche Maafsstab für den Tag 
und die Theile des Tages ist die Uhr, 
der für das Jahr und die Theile des Jah 
res der Kalender, allein Uhrmacher und 
Kalendermacher haben nie Hand in Hand 
gehen können und sie können es heut 
noch nicht. Beide haben uns mit rich- 
IV. 
tiger bürgerlicher Zeit zu versehen; der 
Uhrmacher kümmert sich aber nur um 
den constanten Tag und seine Theile, 
der Kalendermacher dagegen hat die bür 
gerliche Zeit mit der astronomischen in 
Eintracht zu bringen. 
Man theilt den Tag in 24 Stunden, die 
Stunde in 60 Minuten, die Minute in 60 
Secunden. Das tropische Jahr, wel 
ches unserer bürgerlichen Zeit zu Grunde 
liegt, wird durch die Zeit bestimmt, in 
welcher die Erde von dem Frühlingspunkt 
der Ekliptik ab fortgeht bis sie wiederum 
auf den Frühlingspunkt trifft. Da aber 
dieser Frühlingspunkt alle Jahr um 50,1 
Bogensecunden der Erde entgegen kommt, 
so beschreibt die Erde nur einen Bogen 
von 360° — 50,1" und die Zeit, in der 
dies geschieht, beträgt 365 Tage 5 Stun 
den 48 Minuten und 51 Secunden, diese 
Secunden noch mit Decimalen. 
Es ist möglich, dafs wenn man die 
Zeitsecunde in 60 Terzien, diese in 60 
Quarten, diese in 60 Quinten u. s. w. 
eintheilt, das tropische Jahr mit dem 
Tage commensurabel wird; es ist jedoch 
zu erwägen, dafs das tropische Jahr durch 
Beobachtung mit Winkelinstrumenten er 
mittelt ist und dafs diese, so aufseror- 
dentlich scharf sie schon ausgeführt, wenn 
sie noch schärfer sollten hergestellt wer 
den können, immer als Menschenwerk 
unvollkommen bleiben werden, so dafs 
man mit der eben angeführten Zeit des 
Jahres, als sehr nahe der wirkli 
chen wird zufrieden bleiben müssen. 
Die Geschichte des Kalenders ist weit 
läufig und ich will nur einige Perioden, 
die auf unseren heutigen Kalender influ- 
iren, kurz aufführen. 
Im Alterthum suchte man den Mond 
lauf mit dem Sonnenlauf in Ueberein- 
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