Kiepert, über Minimal flächen.
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Für « = © = | gehen diese Gleichungen über in die gegebenen Gleichungen,
und somit ist gezeigt, wie durch jede beliebige Curve unendlich viele
Minimalflächen hindurchgelegt werden können.
Es bleibt nur noch übrig nachzuweisen, dass durch die Gleichungen
(35.) alle Minimalflächen dargestellt werden können, welche durch die ge
gebene Curve hindurchgehen.
Ist eine Minimalfläche, welche durch die Curve hindurchgeht, nicht
in der Form der Gleichungen (35.) dargestellt, so muss sie sich wenigstens
durch die Gleichungen (1.) darstellen lassen. Die auf ihr liegende gegebene
Curve kann dann dadurch bestimmt werden, dass man
setzt und die analytischen Functionen (p und \p so bestimmt, dass für reelle
Werthe von & der Punkt x, y, z die gegebene Curve durchläuft. Setzen
wir dann
u — cp (uf) + i yp (Ml), v = cp (vj — iip (v t )
in die Gleichungen (1.) ein, so werden sie für
«i = «i = &
die gegebene Curve darstellen und deshalb die Form der Gleichungen (35.)
haben müssen.
§. 11.
Mit den soeben ausgeführten Formeln lässt sich eine Aufgabe lösen, die
Herr Schwarz für das Jahr 1874 am Polytechnicum in Zürich als Preisaufgabe
gestellt hat: „Eine Minimal fläche ist durch die Bedingung analytisch zu bestimmen,
dass eine vorgeschriebene ebene Curve eine kürzeste Linie derselben sein soll.“
Diese Aufgabe ist von den Herren Herzog *) und Henneberg **) für die Cycloide,
für die Kegelschnitte und deren Evoluten gelöst worden. (Vergl. Schwarz,
Miscellen aus dem Gebiete der Minimalfl. a. o. 0.)
Die allgemeine Lösung der Aufgabe ergiebt sich sofort aus dem Vor
hergehenden, wenn man P(u) = g(u) und Pflu) = g x {u) setzt; denn ist die
gegebene Curve
x+iy = G(J), x — iy = (?i(£), z = H(J) = 0,
*) Albin Herzog, Bestimmung einiger specieller Minimalfläehen, Inauguraldisser
tation. Zürich 1875.
**) Lebrecht Henneberg, über solche Minimalfläehen, die eine vorgeschriebene ebene
Curve zur geodätischen Linie haben. Zürich 1875.
Adolf Kiepert in Breslau.
*m «vuiuiw, incuiie UC1 KMMBWciien zweiter
Ordnung und der Raumcurven dritter Ordnung
als Erzeugnisse projectivischer Gebilde. Nach
Jakob Steiners Principien auf synthetischem
Wege abgeleitet. Leipzig, Teubner, 1880. 720 S.
gr. 8°. M. 16.
Jakob Steiner sagt in der Vorrede zu seinem
Hauptwerke „Systematische Entwickelung der Ab
hängigkeit geometrischer Gestalten” (Berlin i832), dass
Gründlichkeit und mit dem Zwecke entsprechender
Vollständigkeit zu einem organischen Ganzen zu
sammengestellt, sodass das mathematische Publikum
dem geschätzten Herrn Verf. zu aufrichtigem Danke
für sein schätzbares Werk verpflichtet ist.
An diesen Dank sei noch die Bitte geknüpft,
dass Herr Sch. dem vorliegenden Buche noch manche
Fortsetzung folgen lasse.
Hannover. L. Kiepert.