Full text: Sonderdrucke, Sammelband

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Leben geringe oder gar keine Bedeutung habe. Ein ganz anderes Ansehen 
gewinnt aber der Mathematiker, wenn er seine Wissenschaft zum Mittelpunkte 
der Anwendungen macht, wenn er die Beziehungen zur Astronomie und Geo 
däsie, zur Physik und Mechanik pflegt und fördert. 
Auch für den Unterricht sind derartige Beziehungen sehr werthvoll, denn 
die Studirenden werden einem Vortrage, der auf die nützlichen und lehrreichen 
Anwendungen hinweist, mit grösserem Interesse folgen als den geistvollsten 
Theorien, über deren Zweck sich der Anfänger keine Rechenschaft geben kann. 
Je weiter nun das Gebiet der Anwendungen ausgedehnt wird, desto besser 
wird es für den Unterricht und für die Werthschätzung der Mathematik sein. 
Während die Anwendungen der Mathematik auf die Astronomie und Geo 
däsie, auf die Physik und Mechanik in umfangreichem Maasse an den Univer 
sitäten und technischen Hochschulen berücksichtigt werden, sind wunderbarer 
Weise die Anwendungen auf das Versicherungswesen vollständig vernach 
lässigt worden. Mir ist es wenigstens nicht bekannt, dass irgendwo regelmässige 
Vorlesungen darüber gehalten würden. 
Und doch sprechen für die Einrichtung von Vorlesungen über Versicherungs 
wesen ausser den bereits angeführten allgemeinen Gesichtspunkten noch mehrere 
andere Gründe, welche mir besonders wichtig erscheinen. 
1. Den Studirenden der Mathematik würde dadurch neben dem Lehrfache 
auch noch der Eintritt in die Laufbahn eines Versicherungstechnikers eröffnet, 
und das ist bei den schlechten Aussichten, welche sich den Lehrern zur Zeit 
bieten, gewiss nicht zu unterschätzen. Aber auch solche, die in das Lehrfach 
eintreten, könnten aus ihren versicherungstechnischen Kenntnissen Vortheil ziehen. 
Sie würden als mathematischer Beirath einer Versicherungsgesellschaft vermuth- 
lich eine lohnendere Nebenbeschäftigung finden, als durch das Ertheilen von 
Privatunterricht oder durch das Halten von Pensionären. Das trifft auch noch 
bei den Lehrern zu, welche an kleineren Orten angestellt sind, denn diesen 
würde ohne Zweifel die Leitung einer der vielen Sterbekassen oder Kranken 
kassen zufallen, wenn sie sich die dazu erforderlichen versicherungstechnischen 
Kenntnisse erworben hätten. 
Ausserdem werden von derartigen Kassen und von den Aufsichtsbehörden 
häufig mathematische Gutachten verlangt. Die Zahl der Sachverständigen ist 
bis* jetzt aber so ausserordentlich klein, dass solche Gutachten nur schwer zu 
beschaffen sind. Auch dadurch würde den nach dieser Richtung ausgebildeten 
Lehrern ein lohnender Nebenerwerb zufallen. 
2. Weit brennender ist die Frage für das Versicherungswesen selbst. Sie wissen, 
dass die Mitglieder der verschiedenen Versicherungsgesellschaften in Deutschland 
und Oesterreich nach Hunderttausenden, ja nach Millionen zählen, und dass sich das 
Vermögen dieser Gesellschaften in Deutschland allein auf mehr als eine Milliarde 
beziffert. Bei der ungeheuren Ausbreitung des Versicherungswesens werden sich 
diese Zahlen binnen kurzer Zeit verdoppeln und verdreifachen. Wo es sich um 
das Vermögen so vieler Staatsbürger handelt, scheint es doch geboten, irgend 
welche Einrichtungen zu treffen, damit die Leiter der Versicherungsgesellschaften 
eine genügende Vorbildung für ihren verantwortungsvollen Beruf erhalten können. 
Zur Zeit ist aber die Frage: „Wie sind die in leitender Stellung stehenden 
Versicherungstechniker mathematisch vorgebildet?“ schwer zu beantworten. So 
weit sich nicht die Stellen von dem Vater auf den Sohn oder von dem Onkel 
auf den Neffen vererbt haben, werden es wohl die meisten mathematischen 
Directoren ebenso gemacht haben wie ich, dass sie sich die erforderlichen Kennt 
nisse ausschliesslich durch Selbststudium erworben haben. Ich wenigstens hatte 
während meiner langen Studienzeit niemals Gelegenheit, irgend eine Vorlesung 
Verhandlungen. 1891. II. 1.Hälfte. 2 
Mathematische Wissenschaften. 
H. Schröter, Theorie der Oberflächen zweiter 
Ordnung und der Raumcurven dritter Ordnung 
als Erzeugnisse projectivischer Gebilde. Nach 
Jakob Steiners Principien auf synthetischem 
Wege abgeleitet. Leipzig, Teubner, 1880. 720 S. 
gr. 8°. M. 16. 
Jakob Steiner sagt in der Vorrede zu seinem 
Hauptwerke „Systematische Entwickelung der Ab 
hängigkeit geometrischer Gestalten” (Berlin 1832), dass 
bestehen werde, 
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schreiben ist, dass sich der Herr Verf. auf die Unter 
suchung der Flächen zweiter Ordnung und der 
Raumcurven dritter Ordnung beschränkt hat. Nur 
im letzten Paragraphen findet sich eine kurze An 
deutung über das Vorkommen einer Fläche dritter 
Ordnung, insofern sie der geometrische Ort für die 
Pole einer Ebene in Bezug auf die sämmtlichen 
Flächen eines Flächenbündels zweiter Ordnung ist. 
Dagegen sind alle Untersuchungen, welche sich aut 
die Flächen zweiter Ordnung und auf die Raum 
curven dritter Ordnung beziehen, mit rühmenswerter 
Gründlichkeit und mit dem Zwecke entsprechender 
Vollständigkeit zu einem organischen Ganzen zu 
sammengestellt, sodass das mathematische Publikum 
dem geschätzten Herrn Verf. zu aufrichtigem Danke 
für sein schätzbares Werk verpflichtet ist. 
An diesen Dank sei noch die Bitte geknüpft, 
dass Herr Sch. dem vorliegenden Buche noch manche 
Fortsetzung folgen lasse. 
Hannover. L. Kiepert. 
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