Full text: Sonderdrucke, Sammelband

97 
20. Jan. DEUTSCHE LITTERATURZE1TUNG 188З. Nr. 3. 
9 8 
Mathematische Wissenschaften. 
Eugen Netto, Substitutionentheorie und ihre Anwendung auf 
die Algebra. Leipzig, Teubner, 1882. VIII u. 290 S. gr. 8°. M. 6,80. 
Bisher haben nur französische Mathematiker aus 
führliche Behandlungen der Substitutionentheorie ver 
öffentlicht, nemlich J. A. Serret in dem vierten Ab 
schnitt seines verdienstvollen Handbuches „Algebre 
supérieure” und C. Jordan in seinem „Traite des sub- 
stitutions et des e'quations algébriques”. An deutschen 
Bearbeitungen dieses für die Algebra so wichtigen Ge 
bietes fehlte es leider noch gänzlich. Schon deshalb 
muss man das Erscheinen des vorliegenden Werkes mit 
Freuden begrüfsen, indem es eine fühlbare Lücke aus 
füllt. Die Beachtung dieses Buches wird aber eine um 
so verdientere sein, als der Herr Verf. darin die Kennt 
nisse und Anschauungen niedergelegt hat, die er den 
Vorlesungen und Abhandlungen des Herrn Kronecker 
verdankt. Damit ist für die Substitutionentheorie eine 
ausgezeichnete Grundlage geschaffen, ohne dass damit 
die Selbständigkeit des Herrn Verf. wesentlich beein 
trächtigt worden wäre. 
Dies soll hiermit ausdrücklich ausgesprochen wer 
den, damit nicht ferner Stehende durch die Fassung 
der Vorrede zu dem Glauben geführt werden, es handle 
sich hier mehr oder weniger um die Publication einer 
Kroneckerschen Vorlesung. Da nun aber Herr Kro 
necker in seinen Vorlesungen auf die eigentliche Sub 
stitutionentheorie nur wenig eingeht, so konnte Herr 
Netto auch nur durch eigene Arbeit sein Buch zu Stande 
bringen, wenn auch eine Reihe Gedanken und Prin 
cipien, die von Herrn Kronecker herrühren, als eine 
Zierde des Buches hervortreten. 
Die neueste grofse Arbeit von Herrn Kronecker: 
„Grundzüge einer arithmetischen Theorie der algebrai 
schen Gröfsen” konnte der Herr Verf. gar nicht mehr 
benutzen, weil sie zu spät erschienen war. 
Auch Serrets oben genanntes Werk ist wegen der 
Verschiedenheit der Methoden wenig in Betracht ge 
kommen, während aus C. Jordans Traite' grundlegende 
Begriffe, Gedankenfolgen und Beweise mehrfach ver 
wendet sind. 
In der ersten Abteilung des Buches sind die Grund 
züge der Substitutionentheorie auseindergesetzt und 
zwar mit steter Berücksichtigung der ganzen Func 
tionen. Es werden dabei die Begriffe der Transitivität, 
der Primitivität und des Isomorphismus erläutert, die 
algebraischen Beziehungen zwischen Functionen der 
selben Gruppe nachgewiesen und einige besondere 
Arten von Gruppen untersucht. Zum Schluss wird auch 
die analytische Darstellung der Substitutionen angegeben. 
In der zweiten Abteilung findet sich die Anwen 
dung der Substitutionentheorie auf die algebraischen 
Gleichungen und zwar zunächst auf die Gleichungen 
2., 3. und 4. Grades. Sodann werden im Anschluss an 
Bachmanns „Lehre von der Kreisteilung” die Kreis 
teilungsgleichungen behandelt, an die sich die ein 
gehende Untersuchung der Abelschen und der Galois- 
schen Gleichungen anschliefst. Durch den auch von 
Herrn Kronecker benutzten Begriff des Rationalitätsbe 
reiches wird ein neues Licht auf die algebraische Auf 
lösung der Gleichungen geworfen, sodass schliefslich 
noch die allgemeinen Fragen Uber auflösbare Gleichun 
gen einer genauen Untersuchung unterzogen werden 
können. 
Wenn man die nicht unbedeutenden Schwierig 
keiten des vorliegenden Gegenstandes in Betracht zieht, 
so muss man die grofse Gewantheit, mit welcher der 
Herr Verf. die Substitutionentheorie behandelt, rüh 
mend anerkennen. Er hat das reichhaltige Material 
mit Geschick und mit Klarheit gesichtet und verarbeitet. 
Die Fassung ist allerdings etwas knapp, auch würde 
die Aufnahme einer gröfseren Anzahl von Beispielen 
für das Auftreten von Abelschen und Galoisschen 
Gleichungen, um die beschriebenen Methoden wirklich 
anzuwenden, zweckmäfsig gewesen sein; trotzdem muss 
das Buch als eine wesentliche Bereicherung unserer 
mathematischen Litteratur angesehen werden und kann 
zum Studium der Substitutionentheorie auf das wärmste 
empfohlen werden. 
Hannover. L. Kiepert. 
Kriegswissenschaft. 
Cte. H. d’Ideville, Le maréchal Bugeaud d’après sa corre 
spondance intime et des documents inédits 1784 —1849. Paris, 
Firmin-Didot, 1881 u. 82. I Bd. XI u. 414 S., II Bd. 602 S. gr. 8°. 
Fr. 16. 
Leben und Wirken des Marschalls Bugeaud hatte 
bisher noch nicht die gebürende Darstellung gefunden. 
Graf Ideville ist der Erste, welcher den Gegenstand aus 
führlich und zwar auf Grund authentischer, grofsenteils 
neuer Quellen behandelt. Ein biographisches Kunst 
werk hat freilich auch er nicht geschaffen, denn er 
begnügt sich meist seine Quellen: die Gorrespondenz 
Bugeauds mit Verwanten, Freunden und Vorgesetzten, 
seine Kammer-Reden, Kriegsberichte u. s. w. nach ihrem 
Wortlaute widerzugeben und nur den Zusammenhang 
durch kurzen Text einigermafsen herzustellen. Doch 
kann man im Grunde nur zufrieden sein, dass er es 
hierbei hat bewenden lassen, denn an überschwäng 
licher Bewunderung seines Helden leistet er schon jetzt 
so viel, dass man zu einem richtigen Urteil über den 
selben ohne die ausführliche Mitteilung der Quellen- 
Documente schwerlich gelangen würde, während letztere 
als Ausfluss einer höchst eigenartigen, scharf ausge 
prägten Persönlichkeit vollkommen im Stande sind, 
ohne weiteres ein ganz charakteristisches Bild der 
selben zu geben: »nicht nur des bedeutenden Mannes 
auf der Höhe des Lebens, sondern auch seiner inneren 
Entwickelung von früher Jugend an. 
Auf letztere, besonders psychologisch merkwürdige 
Seite des Gegenstandes näher einzugehen, fehlt hier der 
Raum. Von allgemeinerem Interesse sind die Lebens 
perioden, in denen Bugeaud vor den Augen Europas 
auf der Bühne erscheint. Dazu kam es erst unter der 
Juli-Monarchie, die den 18f5 mit Halbsold entlassenen 
Oberst wider anstellte und bald als wertvolles Werkzeug 
erkannte. So wurde ihm nach der Gefangennahme der 
Herzogin von Berry deren Bewachung in der Citadelle 
von Blaye, im Frühjahr 1833 anvertraut, eine Aufgabe, 
welche sich dadurch verwickelte, dass es nicht nur auf 
Vereitelung von Befreiungsversuchen, sondern zugleich 
darauf ankam, die Schwangerschaft der Herzogin und 
die Geburt ihres Kindes, trotz aller legitimistischen In 
triguen, zweifellos vor der Welt zu constatieren, ihre
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.