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Ein neues Verfahren zur Bestimmung
der Verzeichnung an Luftbildern
K. Szangolies und G. Voß
Die Bestimmung der Verzeichnung eines photogrammetrischen
Aufnahmeobjektivs unter Fiugbedingungen erscheint aus
verschiedenen Gründen nützlich. Sie liefert unter anderem den
Nachweis, ob die im Labor des Herstellerwerks bestimmte Ver
zeichnung auch für praktische Luftbildaufnahmen volle
Gültigkeit besitzt.
Bisherige Arbeiten
Diesbezügliche Methoden sind in den letzten Jahren von
schwedischen Fachleuten angegeben worden [1], [2], [3], [4],
[5] . Von diesen Verfahren wurde die Gittermethode nach
H a lee rt zur Testung des Normalwinkelobjektivs Pinatar
4/210 der Jenaer Luftbildmeßkammer MRB 21/1818 mit
gutem Erfolg angewandt [6] (Bild 1).
Die Gittermethode stützt sich bekanntlich auf ein im Gelände
abgestecktes und signalisiertes 25-Punkte-Quadratnetz. In
[6] ist darauf hingewiesen worden, daß dieser Testfeldform
gewisse Mängel anhaften, von denen insbesondere die unlieb
same Ebenheitsbedingung, die ungleichmäßige Radienver-
teilung sowie die Anfälligkeit gegen Punktausfälle — der
gestalt, daß für jeden Radius vier Punkte zur Verfügung
stehen müssen — zu erwähnen sind. Die Methode selbst hat
den Nachteil, daß jeder Verzeichnungswert als Mittel aus vier
Punktwerten erhalten wird, ohne daß die individuellen Vek
toren der Einzelpunkte in Erscheinung treten. Außerdem
ist die sog. tangentiale Verzeichnung nicht meßbar. Aus
diesen und anderen Gründen verwenden wir die Gittermethode
nach Halieet nicht mehr.
Neues Testfeld
Gemäß dem in [6] gemachten Vorschlag ist ein neues Testfeld
(Bild 2) eingerichtet worden. Die Testfigur gestattet die Be
stimmung der Verzeichnung für bis zu neun Radien, wobei
für jeden Radius vier Punkte zur Verfügung stehen. Hiervon
befinden sich die Punkte jedes zweiten Radius auf den Achsen,
die Punkte der Zwischenradien auf den Diagonalen der Figur.
Die Radiusdifferenz beträgt jeweils 90 m. Bei Aufnahme des
ganzen Feldes wird eine Fläche von 2,3 km X 2,3 km erfaßt.
Bei einem Bildformat von 18 cmX 18 cm ergibt sich daraus
der kleinstmögliche Bildmaßstab zu 1 : 13000 sowie für das
Bildformat 23 cmx23 cm ein Bildmaßstab von 1: 10000.
Das Testfeld wurde auf einem praktisch ebenen Wiesengelände
angelegt; die maximalen Höhenunterschiede betragen etw r a
1,50 m. Die Lage- und Höhenkoordinaten der als Vermarkung
verwendeten Steine sind mit einer Genauigkeit von + 2 cm
bestimmt.
Als Signalisierungsmaterial dienen weiß mattlackierte Alu
miniumtafeln im Format 1 m X 1 m. Auf eine Anpassung der
Tafeldurchmesser an die mindestmögliche Abbildbarkeit ist
aus Sicherheitsgründen verzichtet worden.
Neues Verfahren der Verzeichnungsmessung
Die Gittermethode ist durch ein neues Verfahren ersetzt
worden, dessen Grundlagen im folgenden dargestellt sind.
Ist die äußere Orientierung einer Luftaufnahme bekannt
(V 0 , Y 0 , Z Q , Q, 0, K), dann besteht die Möglichkeit, für jeden
koordinatenmäßig gegebenen Geländepunkt die Soll-Koordi
naten im Bild zu berechnen. Diese Soll-Werte werden mit
den Bildfehlern Schrumpfung, Refraktion und Erdkrümmung
„verfälscht“ und von den im Bild gemessenen Koordinaten
subtrahiert. Das Ergebnis ist die vektorielle Verzeichnung
der Aufnahme in den verwendeten Punkten. Die mathema-
tische Beziehung zwischen den räumlichen Geländekoordi
naten und den ebenen Bildkoordinaten wird durch die Formel
(1) ausgedrückt.
ixÄ (x n
' Xi
Vi J — Aj M I Vf
\ c k ) \Z t / \"o,
Für jedes Bild, das zur Bestimmung der Verzeichnung ver
wendet werden soll, ist zunächst die äußere Orientierung zu
berechnen, d. h. in der Formel (1) die Werte X 0 ,Y 0 , Z 0 , M.
Zu diesem Zweck wurde das iterative Verfahren von Rinner
[7], [8] für den Rechenautomaten ZRA 1 programmiert. Für
die Berechnung der äußeren Orientierung gibt es bei dieser
Lösung praktisch keine Beschränkungen für die Auswahl und
Lage der verwendeten Punkte.
Nach der äußeren Orientierung lassen sich mit den aus (1)
abgeleiteten Formeln (2) für jeden koordinatenmäßig bekann
ten und in der Luftaufnahme abgebildeten Punkt die ent
sprechenden Bildkoordinaten berechnen.
x i -- A* [(-Xi — X 0 )a 1 + (Ff— Ko) a 2 + —-Z 0 )a 3 ]
Vi — Ai [(^ — X 0 )b 1 + (Yi — 1 0 )b 2 + (Zf ■—- Z 0 )b 3 \
, c fc
M
h l b 2 b 3
(1)
(2)
(Xi — V 0 ) Cl + (Yi — I 0 )c 2 -f- (Z t — Z 0 )c 3
x{, Vi — Bildkoordinaten des Punktes i
Xi, Yi, Z ; ■— Geländekoordinaten des Punktes i
eje — Kammerkonstante.
Zu diesen errechneten Bildkoordinaten x{, y{ sind die Bild
fehler, die durch Filmschrumpfung, Refraktion und Erd
krümmung verursacht werden, hinzuzufügen, um durch
Subtraktion der errechneten von den gemessenen Werten die
Verzeichnungswerte zu erhalten (3).
Xi = —y (s x n -j- ÄTi 3 -f- g)
n
Vi
Vi
— (SyTi + W 3 + 9)
(3)
n' = ]/*i' 2 + yi' 2
s x , s y — Schrumpfungsfaktoren in Richtung der Bildkoordi
natenachsen
k, g — aus Tabellen zu entnehmende Korrekturwerte für
Refraktion und Erdkrümmung.
Die Formeln (2) und (3) wurden mit der Bestimmung der
äußeren Orientierung zu einem Rechenprogramm zusammen
gefaßt.
Die Geländekoordinaten der Testfeldpunkte stehen, einmal auf
Lochkarten gelocht, für alle Berechnungen zur Verfügung.
In den einzelnen Bildern sind die Bildkoordinaten aller
Punkte zu messen und die, die zur Ermittlung der äußeren
Orientierung verwendet werden sollen, besonders zu kenn
zeichnen. Außerdem sind unter Verwendung der Rahmen
markenabstände oder Rahmenleisten (MRB 21/1818) die
Schrumpfungswerte s x , s y zu ermitteln. Für die äußere Orien
tierung können entweder Punkte, die alle auf einem Bild
radius liegen, oder Punkte, die über das ganze Bild gleich
mäßig verteilt sind, verwendet werden. Im ersten Fall be
findet sich bei dem erwähnten Bildradius ein Nulldurchgang
der Verzeichnungskurve, im zweiten liegt die Verzeichnungs
kurve so, daß ihre Extremwerte im Bildraum klein werden.
Die gesamte Berechnung für ein Luftbild erfolgt mit dem
Jenaer Rechenautomaten ZRA 1 in rd. 12 Minuten.