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über ein neues Verfahren der Differentialentzerrung
0. Weibrecht
1. Einleitung
Die maßstabsgetreue bildmäßige Darstellung des Geländes
mit Hilfe entzerrter Luftaufnahmen bietet für viele Aufgaben
der Volkswirtschaft wegen des hohen Informationsgehaltes
besondere Vorteile. Deshalb werden derartige Bildpläne gern
von Geologen, Forstwirtschaftlern und allen übrigen Geo
wissenschaftlern als Bearbeitungsgrundlage benutzt. Vor allem
haben sich die entzerrten Luftbilder als Ausgangsmaterial
für die Herstellung von Wirtschaftskarten und topographischen
Karten seit Jahrzehnten bewährt. Da sich das Entzerrungs
verfahren nur bei Vorhandensein ebenen Geländes einsetzen
läßt, blieb der Anwendungsbereich dieses Verfahrens auf
relativ geringe Flächen der Erdoberfläche beschränkt. Dem
von keiner anderen Art der lagemäßigen Geländedarstellung
erreichten Detailreichtum ist es jedoch zu verdanken, daß
schon sehr bald Anstrengungen unternommen wurden, das
Entzerrungsverfahren auf bergiges Gelände zu erweitern.
Dies geschah sowohl auf verfahrenstechnischem Wege als auch
durch instrumenteile Mittel. Das Ziel dieser Arbeiten war die
Vermeidung bzw. Reduzierung der von den Höhenunter
schieden des Geländes und dem Bildwinkel abhängigen Lage
fehler. Die im Kartenmaßstab zu erwartenden Lagefehler
sind gegeben durch die Formel
r' 1
Ar — Ah ■ — = A h • tan a ■ — , (1)
f-mj c mjg
wobei A h die Höhenunterschiede im Gelände, r’ der Radial
abstand des Bildpunktes vom Bildhauptpunkt, / die Brenn
weite bzw. Kammerkonstante der Aufnahmekammer und
mjc die Maßstabszahl des Bildplanes sind. Mit dieser Formel
kann man also feststellen, wie groß die Geländehöhenunter
schiede sein dürfen, wenn man einen bestimmten Lagefehler
nicht überschreiten will.
Zu den verschiedenen verfahrenstechnischen Möglichkeiten
der Erweiterung des Entzerrungsverfahrens auf bewegtes
oder bergiges Gelände gehören die zonenweise Entzerrung, die
Aufteilung des Geländes in geeignete Polyederflachen und das
Facettenverfahren.
Bei der zonenweisen Entzerrung, die auf Scheimpfltjg zu
rückgeht [11], wird das Geländerelief in einzelne Zonen gleicher
Höhenstufen A h unterteilt , für die der Lagefehler unter der
gewünschten Grenze bleibt. Die einzelnen Zonen werden auf
einen einheitlichen Maßstab gebracht und zusammengefügt.
Das Verfahren ist recht umständlich und wirtschaftlich nur
vertretbar, wenn eine Zerlegung in nur wenige Zonen möglich
ist.
Bei Aufteilung des Geländes in Polyederflächen werden diese
Geländeabschnitte mit dem Entzerrungsgerät durch gleich
zeitige Perspektiv- und Affinentzerrung in die Kartenlage um
gebildet; [4], [12], [14], [18], [19], [20], [21]. Bei deminFrank-
reich üblichen Facettenverfahren [15], [26] wird die Perspek
tiv- und Affinentzerrung getrennt in zwei verschiedenen Ge
räten durchgeführt, die Perspektiventzerrung in einem übli
chen Entzerrungsgerät und die Affinentzerrung in einem spezi
ellen Umbildegerät.
1952 brachten die Mitarbeiter des Moskauer Aerogeodätischen
Instituts Pawlow, L. V., Pylaew, S. A., Popow, P. I. und
Sohewtschenko, F. P. ein neues originelles Verfahren für
die Entzerrung von Luftbildern unebenen Geländes durch
Herstellung und Fotografie eines umgekehrten Geländemodelles
in Vorschlag [17]. Nach Entwicklung und Herstellung der
entsprechenden Geräte wurde dieses Verfahren in die Praxis
eingeführt.
2. Differentialentzerrung mit formtreuen Strahlenbündeln
Alle bisher bekanntgewordenen Verfahren der Entzerrung
bergigen Geländes setzen mehr oder weniger die näherungs
weise Kenntnis der Höhengestaltung des Geländes voraus,
weil für jede Zone und jede Polyederfläche oder Facette min
destens 4 Paßpunkte vorhanden sein müssen. Durch diese
Forderung werden diese Verfahren sehr unwirtschaftlich,
und man hat deshalb schon frühzeitig nach Wegen gesucht,
die Entzerrung bergigen Geländes mit der Auswertung in
einem Stereoauswertegerät in irgendeiner Weise zu verknüpfen.
Die erste Anregung kam durch Lacmann [13] im Jahre 1931.
Sein Gerätevorschlag hat sich jedoch nicht durchsetzen
können. Ein typisches Beispiel, wie man die Entzerrung ber
gigen Geländes erreichen kann, ist das Gerät nach Gallus-
Ferber aus dem Jahre 1933 [5], [6], dessen Grundprinzip
kurz skizziert werden soll, weil es in jüngster Zeit in abge
wandelter Form wieder aufgetaucht ist:
Das Luftbildpaar wird in einem Stereoauswertegerät relativ
und absolut so orientiert, wie das auch für die räumliche Aus
wertung notwendig ist. Das entstehende Geländemodell wird
nun in einzelne parallele Streifen zerlegt, und es werden im
Auswertegerät die Profile der einzelnen Streifen ermittelt
und notiert. An die Stereoauswertung der Profile schließt sich
der zweite Arbeitsgang an. Eines der beiden Negative, aus
denen das Modell gebildet wurde, wird in ein spezielles Pro
jektionsgerät eingelegt und unter Ausschaltung der Bildnei
gung mit formtreuen Strahlenbündeln projiziert. Das pro
jizierte Bild wird jedoch nicht wie im Entzerrungsgerät gleich
zeitig über seine Gesamtfläche fotografisch festgehalten, son
dern ebenfalls in Streifen zerlegt. Die Streifen entsprechen
denen des Stereoauswertegerätes. Sie werden durch einen
Spalt abgetastet, der immer nur einen Teil des Streifens zur
Belichtung des auf den Projektionstisch aufgelegten Foto-
materials freigibt. Während dieses Vorgangs wird der Pro
jektionsabstand nach Maßgabe des im Stereokartiergerät er
mittelten Profils so variiert, daß die Lageversetzungen der
Bildpunkte ausgeschaltet werden.
Das Ergebnis ist ein fotografisches Bild, dessen Detail auf
eine horizontale Bezugsebene reduziert ist und damit einer
Orthogonalprojektion entspricht. Die so erhaltenen ortho-
fotografischen Bilder werden zu einem Bildplan zusammen
gefügt, der praktisch frei von Lagefehlern sowohl hinsichtlich
der Bildneigung als auch der Flughöhenunterschiede und der
Geländehöhendifferenzen ist. Der Nachteil der soeben be
schriebenen Anordnung ist die Aufgliederung in zwei zeitlich
getrennte Arbeitsgänge: Die Ermittlung der Streifenprofile
und die partielle Entzerrung im Projektionsgerät.
Ein in jüngster Zeit in den USA entwickeltes Verfahren
stützt sich auf die Anordnung nach Galltts-Ferber, ver
einigt aber beide Arbeitsgänge zeitlich und in einem einzigen
Gerät, dem sog. Orthophotoskop [1], [2], [3], [16], [24], [25],
[26], [28].
Auch dieses Gerät arbeitet mit formtreuen Strahlenbündeln;
denn die Wiederherstellung des Geländemodells erfolgt in
einem mit zwei oder drei Projektoren ausgerüsteten, nach dem
Anaglyphenprinzip arbeitenden Projektionsgerät. Nach der
relativen und absoluten Orientierung des Geländemodells
wird es in parallelen Streifen mit einem Projektionsschirm