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II. Abschnitt. 6. Die Wasseraufnahme seitens der Pflanzen. 9I
sich die erwähnten Samen daber mit einer Schleimschicht, und dieselbe verdankt
nicht etwa dem Zustandekommen von Imbibitionsvorgángen ihre Entstehung, denn
diese kónnen immer nur begrenzte Quellung zur Folge haben. Bei der Schleim-
bildung gehen vielmehr einerseits bestimmte Stoffe der Verdickungsmassen der
Zelen in Lósung, andererseits aber bleibt ein gewisser Theil der Verdickungs-
massen ungelóst und mischt sich in Folge unbegrenzter Quellung mit den Wasser-
molekülen (Permixtionsprozess) Endlich ist noch zu bemerken, dass die Testa
der Samen von Cazza mit Spaltóffnungen bedeckt ist, welche das Wasser, mit
dem die Pflanzentheilé in Contact gerathen, capillar aufsaugen und in das Innere
der Samen leiten kónnen.
Die angeführten Thatsachen weisen bereits darauf hin, dass die Beschaffen-
heit der Gewebemassen der Testa in genauester Beziehung zu dem Verlauf der
Quellungserscheinungen stehen muss. Und dasselbe tritt noch deutlicher hervor,
wenn man bedenkt, dass die Zellen der Testa in der That häufig genug eine
ganz eigenthümliche Ausbildung erfahren und in Folge dessen sehr beschleunigend
oder sehr verlangsamend auf den Verlauf der Quellung einwirken. Ungemein
leicht quellen z. B. die Samen von Cydonia und Linum, indem die schleimigen
Verdickungsmassen der Epidermiszellen der Testa selbst die geringsten Wasser-
mengen, mit denen sie in Contact gelangen, lebhaft anziehen. Andere Samen
(Erbsen, Bohnen etc.) quellen zwar bei weitem nicht so leicht wie die soeben
angeführten, aber ihre Testa setzt dem Eindringen des Wassers doch keineswegs
erhebliche Schwierigkeiten entgegen. Andere Samenarten quellen dagegen ausser-
ordentlich langsam. Derartiges lässt sich z. B. leicht constatiren, wenn man grössere
Samenquantitäten von Zupinus, Trifolium oder Robinia mit Wasser in Berührung
bringt.!) Es zeigt sich dann, dass manche Samenindividuen selbst nach Wochen
oder Monaten noch hart sind und kein Wasser absorbirt haben. Die Ursache
dieser Erscheinung ist in einer eigenthümlichen Beschaffenheit der Zellen der
Pallisadenschicht der Testa jener Samen zu suchen. Die Zellen setzen dem
Eindringen des Wassers einen ausserordentlichen Widerstand entgegen, aber der-
selbe wird sofort beseitigt, wenn man die Testa an irgend einer Stelle verletzt.
Die Untersuchungen über den Quellungsprozess haben nun weiter ergeben,
dass die Quellungscapacität verschiedener Samenspecies sehr verschieden ist, so
dass also eine Samenart weit mehr Wasser aufzunehmen vermag, bis die Quellung
zum Stillstande gelangt, als eine andere. Sieht man von den individuellen
Eigenthümlichkeiten der einzelnen Samenkörner einer grösseren Samenprobe ab,
so lässt sich hervorheben, dass die Körner des Weizens und Roggens etwa
5o—60$ Wasser aufsaugen können, während z. B. Bohnen- und Erbsensamen
mehr als 100% Wasser absorbiren. Höhere Temperatur des Quellungswassers steigert
die Quellungscapacität nicht,?) aber iibt selbstverstindlich einen Einfluss auf den
Verlauf des Quellungsactes aus, indem das Quellungsmaximum, d. h. die Aus-
dehnung, welche ein Körper in Contact mit Wasser überhaupt erfahren kann,
bei höherer Temperatur weit schneller als bei niederer erreicht wird.
Aus unseren Erörterungen über das Wesen des Imbibitionsprozesses geht
hervor, dass jedes organisirte Gebilde, dessen Tagmen sich mit Wasserhüllen um-
geben, eine Volumenzunahme erfahren muss. Und in der That lässt sich dies
bei dem Studium der Quellungserscheinungen der Samen in ausgezeichneter
1) Vergl NOBBE, Versuchsstationen. Bd. 20. pag. 71.
?) Vergl. REINKE, HANSTEIN'S botan. Abhandlungen. Bd. 4. Hft. 1. pag. 82.