Full text: Handbuch der Botanik (1. Abtheilung, 1. Theil, 2. Band)

     
   
  
  
  
   
  
  
    
  
  
  
   
  
  
   
  
  
  
   
  
  
   
  
  
  
  
   
  
   
  
  
  
  
  
   
   
   
  
  
  
  
  
   
   
   
  
    
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II. Abschnitt. 1. Einleitende Bemerkungen. 117 
die letzte Ursache der wunderbaren Lebenserscheinungen der Pflanzen und 
Thiere festzustellen, und wenngleich sich derartigen Bestrebungen sehr be- 
deutende Schwierigkeiten in den Weg stellen, so liegt doch von vornherein 
auf der Hand, dass dem Protoplasma als dem Träger der Lebenserscheinungen 
eine ganz eigenthümliche Natur zukommen muss, denn das Zustandekommen der 
besonderen Lebensphünomene setzt auch die Wirksamkeit ganz besonderer Ur- 
sachen voraus.) 
Es gehórt, wie sich von selbst versteht, zu den wichtigsten Aufgaben der 
Physiologie, diese Ursachen der Lebenserscheinungen festzustellen, und ich werde 
mich bemühen müssen, das in Frage stehende Problem in diesem Paragraphen zu 
behandeln. Aber um dafür den geeigneten Ausgangspunkt zu gewinnen, müssen 
zunächst noch einige anderweitige Verhältnisse Berücksichtigung erfahren. 
Man ging in der Pflanzenphysiologie bisher fast allgemein von der Anschauung 
aus, dass die stickstofffreien organischen Körper in den Zellen bei dem Zustande- 
kommen des Stoffwechsels, ohne vorher mit stickstoffhaltigen Stoffen in chemische 
Wechselwirkung gerathen zu sein, gewisse tiefgreifende Zersetzungen erleiden. 
Nach dieser Auffassung tritt z. B. die Stärke, die bei der Keimung amylumreicher 
Samen verarbeitet wird, als solche oder nachdem sie in andere stickstofffreie 
Stoffe übergegangen ist, in chemische Wechselwirkung mit dem Sauerstoff der 
Luft. Kohlensäure, Wasser sowie eine für die Zwecke des Wachsthums verwerth- 
bare Substanz werden gebildet, und in dem Maasse, wie die Evolution des Em- 
bryo der Samen fortschreitet, verschwindet das Amylum. Ebenso glaubte man 
dass die durch den Assimilationsprozess erzeugte und für den direkten Verbrauch 
in grünen oder kein Chlorophyll führenden Pflanzenzellen bestimmte Stärke, un- 
mittelbar verarbreitet werde. 
Dagegen ist in neuester Zeit eine andere Anschauung mehr in den Vorder- 
grund getreten, und ich habe mich selbst bemüht, derselben eine tiefere Be- 
gründung zu verleihen, weil es mir allerdings von der höchsten Wichtigkeit er- 
scheint, dieser neuen Auffassung die grösste Aufmerksamkeit zuzuwenden.?) 
Es wird im nächsten Kapitel dieses Abschnittes gezeigt werden, dass 
in den Pflanzenzellen ganz allgemein — allerdings ieicht nachweisbar nur unter 
besonderen Umstüánden — Sáureamide sowie Amidosáuren (z. B. Asparagin und 
Leucin) entstehen. Diese stickstofthaltigen Verbindungen gehen aus den Eiweiss- 
stoffen des Protoplasma hervor, und wir dürfen annehmen, dass diese letzteren 
neben jenen Stickstoffverbindungen stets gewisse stickstofffreie organische Kórper 
als Zersetzungsprodukte liefern. Dafür sprechen einerseits gewisse Ergebnisse, 
zu denen man bei dem Studium des Verhaltens der Eiweissstoffe verschiedenen 
Reagentien gegenüber gelangt ist; andererseits aber findet die erwähnte Auf- 
fassung ihre vorzüglichste Stütze durch gewisse Beobachtungsresultate, die an 
lebenden Pflanzenzellen selbst gewonnen werden können. Ich werde nämlich im 
nächsten Kapitel zeigen, dass die in den Pflanzenzellen entstandenen Säureamide 
und Amidosäuren nach den übereinstimmenden Resultaten verschiedener neuerer 
Untersuchungen unter Beihülfe stickstofffreier organischer Körper zur Neubildung 
1) Man hüte sich nur vor der Anschauung, als ob hier besondere Lebenskräfte, die von 
ganz anderer Natur als unsere bekannten physikalischen und chemischen Kräfte sind, in Betracht 
kämen. 
2) Vergl. DETMER, Vergleichende Physiologie des Keimungsprozesses der Samen, 1880, 
pag. 155. Vergl. ferner eine von mir verfasste, demnächst in PRINGSHEIM's Jahrbüchern für 
wissenschaftl. Botanik erscheinende Abhandlung. 
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
 
	        
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