Full text: Handbuch der Botanik (1. Abtheilung, 1. Theil, 2. Band)

  
546 System der Pflanzenphysiologie. 
wird also bestimmt durch den negativen Geotropismus, den positiven Heliotropis- 
mus sowie durch die Epinastie derselben. Das Licht, zumal intensives, würde, 
wenn dasselbe allein wirkte, eine Convexkrümmung der Oberseite der. Pflanzen- 
theile herbeiführen, während die Wirkung der Schwerkraft allein gerade das 
Entgegengesetzte zur Folge haben würde. Wachsen die Thalluslappen nun unter 
geeigneten Umstünden ohne Krümmungen gerade aus, indem sie dem Einfluss 
der Gravitation sowie des Lichtes ausgesetzt sind, so bedeutet dies, dass die 
Schwerkraftskrümmung von den durch das Licht inducirten Krümmungen gerade 
ausgeglichen wird. 
2. Wurzeln. Die Hauptwurzeln sind orthotrop und zwar im Verhiltniss zu 
den Hauptstimmen antitrop, da sie nicht gerade nach aufwärts, sondern im 
Gegentheil gerade nach abwärts wachsen. Für das Wachsthum der Hauptwurzeln 
ist der positive Geotropismus maassgebend, denn wenn die Organe durch zufällige 
Umstände oder absichtlich einer Ablenkung aus ihrer normalen Wachsthums- 
richtung unterliegen, so ist die Gravitation bestrebt, dieselben sofort wieder in 
die letztere zurückzuführen. 
Mit Bezug auf die Wachsthumsrichtung der Nebenwurzeln erster Ordnung 
ist besonders zu beachten, dass dieselben allerdings ein positiv geotropisches 
Verhalten zeigen, dass die Schwerkraft das Wachsthum der Organe aber nur so 
lange beeinflusst, bis der geotropische Grenzwinkel erreicht ist. 
3. Stammgebilde. Die multilateralen oder radiär gebauten Hauptstämme 
der Pflanzen reagiren gewöhnlich allseitig gleichartig auf den Einfluss des Lichts 
und der Gravitation; sie suchen sich daher so zu stellen, dass die äusseren Ein- 
flüsse auf alle Seiten ihrer Längsachse gleichmässig einwirken. Die orthotrope 
Stellung der Hauptstámme wird vor allem durch den negativen Geotropismus und 
den positiven Heliotropismus derselben bedingt. 
Die Wachsthumsrichtung der schiefen oder horizontalen Sprosse wird durch 
Belastungsverhiltnisse, Hyponastie, Epinastie, Geotropismus sowie Heliotropismus 
bestimmt!). Es möge dem Leser überlassen bleiben, sich die Wachsthumsrichtung 
in speciellen Fällen klar zu machen; nur ein einziges Beispiel sei hier angeführt. 
In seiner Abhandlung über orthotrope und plagiotrope Pflanzentheile bespricht 
SaAcHs unter anderem das Verhalten der Sprosse von Zropacolum majus und ge- 
langt durch seine Untersuchungen zu folgenden Resultaten. Das hypocotyle Stengel- 
glied von Zropaeolum ist anfangs positiv heliotropisch. Später wird dasselbe, ebenso 
wie die folgenden Internodien, negativ heliotropisch.”) Die Stengel krümmen sich 
daher vom Licht fort und legen sich nach rückwärts flach auf den Boden nieder 
oder an eine eventueli vorhandene Mauer dicht an. Wenn das Licht nicht in- 
tensiv ist, so wenden sich die Pflanzen nicht in dem námlichen Maasse wie bei 
starker Beleuchtung vom Licht ab, offenbar deshalb, weil die Lichtwirkung nicht 
im Stande ist, die negativ geotropische Krümmung der Stengeltheile vollkommen 
auszugleichen. 
Einige Stengeltheile, z. B. die Rhizome von Yucca, wachsen, wie die Haupt- 
wurzeln in Folge ihres positiven Geotropismus senkrecht in die Erde. Dagegen 
ist noch nicht sicher festgestellt, welche Momente den Plagiotropismus der 
Rhizome von Heleocharis, Sparganium etc. verursachen.?) 
ps 771) Vergl. H. pE VRIES, Arbeiten d. botan. Instituts in Würzburg. Bd. 1. pag. 267. 
2) Es ist übrigens fraglich, ob man es hier mit wirklichem negativem Heliotropismus oder 
nur mit jenem unter 1 erwühnten durch das Licht inducirten Form der Epinastie zu thun hat. 
3) Vergl. ELrviNG, Arbeiten des botan. Instituts in Würzburg. Bd. 2. pag. 489. 
  
       
  
  
  
  
  
  
  
  
  
    
   
   
     
   
  
  
    
   
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
      
   
  
  
  
  
  
    
   
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