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IV. Abschnitt. 2. Specielles über die natürliche Richtung der Pflanzentheile. 547
Viele Blüthen wenden sich dem Licht zu, eine Erscheinung, die durch den
positiven Heliotropismus der die Blüthen tragenden Stengeltheile zu Stande
kommt!) In vielen Fällen nehmen die Blüthen eine fixe Lichtlage an. Andere
Blüthen verändern ihre Stellung im Laufe eines Tages und folgen dem Gange
der Sonne. Die Sonnenblume zeigt dieses letztere Verhalten übrigens gewöhnlich
nicht; dagegen ist dasselbe namentlich für die Blüthenstände von Zragopogon
orientale constatürt worden. In der Nacht stehen die Internodien, welche die
Blüthenkópfe tragen, sowie diese selbst, aufrecht; am Tage wird durch den
Heliotropismus eine fortschreitende Bewegung der Pflanzentheile herbeigeführt.
Auch die Blüthen von LZeontodon Aastüis folgen dem Lauf der Sonne. Einige
Blüthen nehmen keine heliotropische Lage an; sie sind, selbst bei einseitiger Be-
leuchtung, zenithwürts gerichtet.
Die wábrend der Blüthezeit aufrecht stehenden Bliithenstengel von Cyclamen
persicum wachsen wührend der Frucht- und Samenentwicklung noch bedeutend
und krümmen sich dabei so stark, dass die Kapseln in den Boden eingegraben
werden kénnen. Nach Darwin2) soll der negative Heliotropismus diese Erscheinung
hervorbrngen. Für die Früchte von Zr ifolium subterraneum und Arachis hypogaea
ist es bekanntlich wichtig, dass dieselben unter der Erde zur Reife gelangen. Das
Fingraben der Pflanzentheile wird nach Darwin (vergl. pag. 440 der soeben
citirten Schrift) durch geotropische Bewegungen vermittelt.
4. Blätter®). Die meisten grünen Blätter haben das Bestreben, ihre morpho-
logische Oberseite dem Licht zuzukehren und sich dabei im Allgemeinen senk-
recht zur Richtung der einfallenden Lichtstrahlen zu stellen. Wird diese Stellung
der Blätter künstlich verändert, so suchen die Pflanzentheile ihre normale Lage
zum Licht alsbald wieder einzunehmen.
Die Stellungsverhältnisse der Blätter werden namentlich durch die Hyponastie
und Epinastie derselben, sowie durch das Verhalten der Organe dem Licht und
der Schwerkraft gegenüber bestimmt FRANK (vergl. dessen citirte Abhandl., pag. 46)
hat beobachtet, dass die sich im Dunkeln entwickelnden Wurzelblütter von
Plantago major, Capsella Bursa pastoris, Primula elatior etc. eine verticale Stellung
erlangen, eine Thatsache, die durch das Zusammenwirken der Hyponastie der
Blätter sowie des negativen Geotropismus derselben ihre Erklärung findet. BeiLicht-
zutritt legen sich die Wurzelblätter horizontal auf den Boden, indem jetzt die
durch das Licht inducirte Epinastie (vergl. übrigens die Bemerkungen unter?) ein
sehr lebhaftes Wachsthum der Oberseite der Blätter hervorruft. Weitere Details
über die Stellungsverháltrisse der Blátter sind in den citirten Schriften nachzu-
sehen. Ein besonderes Interesse gewühren die Stellungsverháültnisse, welche die
Blätter der sogen. Compasspflanzen (Zactuca scariola, Silphium laciniatum) annehmen
können, Der Erdmagnetismus ist übrigens nicht die Ursache des eigenthümlichen
Verhaltens der Blätter jener Gewächse, sondern dasselbe kommt durch Licht-
wirkung zu Stande*).
!) Vergl. über das Folgende, WIESNER, Sonderabdruck aus dem 43. Bd. der Denkscirift
der Akadem. d. Wiss. zu Wien. pag. 62.
?) Vergl. DARWIN, Das Bewegungsvermógen d. Pflanzen. Deutsche Ausg. pag. 360.
3) Vergl. Frank, Die natiirliche wagrechte Richtung von Pflanzentheilen, Leipzig. 1870;
H. DE VmrES, Arb. d. botan. Institus in Würzburg. Bd. 1. pag. 240. Vergl auch WIESNER's
soeben citirte Abhandlung.
^) Vergl. STAHL, Jenaische Zeitschrift f. Naturwissenschaft, Bd. 15.