Full text: Handbuch der Botanik (1. Abtheilung, 1. Theil, 2. Band)

50 System der Pflanzenphysiologie. 
Dagegen scheint der Vertretbarkeit eines nicht als unentbehrlich, sondern 
nur als nützlich zu bezeichnenden Nährstoffes durch andere Körper nichts im 
Wege zu stehen, und ich brauche hier zur Begründung des Gesagten nur auf 
unsere Erörterungen über die Bedeutung des Chlors sowie des Siliciums für die 
Pflanzen hinzuweisen. 
Viertes Kapitel. 
Die organischen Verbindungen als Pflanzennahrungsmittel. 
8 r5. Die chlorophyllhaltigen Gewächse. Es unterliegt heute zwar 
keinem Zweifel mehr, dass sehr viele grüne Pflanzen eine durchaus normale Ent- 
wicklung erfahren kónnen, wenn ihnen ausschliesslich. anorganische Stoffe als 
Nahrungsmittel zur Disposition gestellt werden. Die Wasserculturversuche haben 
gezeigt, dass viele Pflanzen üppig entwickelte Vegetationsorgane, normal gebaute 
Blüthen, sowie reichliche Mengen keimfühiger Samen produciren, wenn ihnen 
neben der Kohlensäure der Luft und dem Wasser hinreichende Quantitüten 
einiger anorganischer Salze zur Verfügung stehen. Bei alledem ist es klar, dass 
die Wurzeln der Gewüchse, wenn dieselben sich in der Natur in einem an organischen 
Stoffen mehr oder minder reichen Boden ausbilden, eben mit diesen organischen 
Stoffen in Berührung gelangen, und man ist berechügt, die Frage aufzuwerfen, 
ob diese Verbindungen, obgleich viele Pflanzen ohne dieselben durchaus normal 
gedeihen, nicht dennoch von der Vegetation verwerthet werden konnen. 
Ich habe bereits darauf hingewiesen, dass verschiedene stickstoffhaltige 
organische Stoffe hóchst wahrscheinlich als solche im Organismus bei der 
Bildung von Proteinstoffen Verwendung finden. Ebenso ist es durchaus nicht 
unmóglich, dass grüne Pflanzen, die allerdings bei Abwesenheit organischer 
Bodenbestandtheile gedeihen können, dennoch unter Umständen stickstofffreie 
organische Stoffe aufnehmen und verarbeiten. 
Früher hat man den Humus bekanntlich als ein mehr oder minder wichtiges 
Pflanzennahrungsmittel angesehen. Zwar habe ich nachgewiesen,!) dass ein 
Hauptbestandtheil des Humus, die Huminsäure nämlich, nicht als solche in die 
Pflanzenzellen eintreten kann, aber es ist keineswegs ausgeschlossen, dass ander- 
weitige organische Bodenbestandtheile sich nicht in derselben Weise verhalten. 
Uebrigens liegt ja die Môglichkeit vor, dass die Pflanzenwurzeln chemisch ver- 
ändernd auf organische Kärper des Bodens, die als solche nicht von denselben 
aufgenommen werden können, einwirken und zur Entstehung aufnehmbarer und 
im Organismus verwerthbarer Substanzen Veranlassung geben. Es wird im 
dritten Hauptabschnitt der specielle Nachweis geführt werden, dass den Embryonen 
vieler Samen die Fáhigkeit zukommt, die organischen Reservestoffe des Endosperm 
(Amylum, Zellstoff etc.) aufzulósen. Das Studium dieser Vorgänge ist insofern 
für die Beurtheilung der hier berührten Fragen von Wichtigkeit, als sich dabei er- 
geben hat, dass jene Auflósungsprozesse unter Vermittlung von Fermenten zu 
Stande kommen und zur Entstehung organischer Stoffe Veranlassung geben, die 
für die Zwecke des Wachsthums des Embryo verwerthet werden. Man wird da- 
her schliessen dürfen, dass ebenso die entwickelte Pflanze unter Umständen Fer- 
mente erzeugt, welche modificirend auf organische Bodenconstituenten einwirken 
und die Ueberführung derselben in den vegetabilischen Organismus bedingen. 
1) Vergl. DETMER, Versuchsstationen. Bd. 14. pag. 204. 
      
   
  
  
  
  
   
  
   
   
   
  
  
  
   
  
  
   
  
   
  
   
  
  
  
  
  
  
  
  
   
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
   
  
  
  
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