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4. Das Ernährungssystem.
II. Das Leitungssystem.
In allen höher entwickelten Pflanzen finden während der ganzen Vegetations-
zeit Stoffleitungsvorgänge statt, deren Qualität und Ausgiebigkeit in den ver-
schiedenen Vegetationsphasen eine sehr wechselnde ist. Ehe wir die Bahnen ein-
gehender betrachten, in welchen die Leitung der Stoffe vorzugsweise stattfindet,
wollen wir uns zunächst über die Beschaffenheit und ernährungsphysiologische
Bedeutung dieser Stoffe orientiren.
Vor allem findet in der Pflanze ein sehr ansehnlicher Wassertransport statt
Der geringste Theil des aufgenommenen und fortgeleiteten Wassers dient als
Nährstoff, indem er zwei wichtige Elemente für den Stoffwechsel liefert. Grösser
ist schon jene Wassermenge, welche als »Vegetationswasser« am Aufbau der
Klementarorgane betheiligt ist, indem es die Imbibitionsflüssigkeit der Zellwände
und des Protoplasmas, sowie den Hauptbestandtheil des Zellsaftes vorstellt. Am
grössten aber sind jene Wassermengen, welche in Folge der Transpiration die
Pflanzenorgane durchströmen, und eine bedeutendere Abnahme des Wassergehaltes
der Pflanze, beziehungsweise ihre Austrocknung verhüten. —
Theils unabhängig von diesem Wasserstrome, theils von ihm mitgerissen, be-
wegen sich die verschiedenen anorganischen oder organischen Nährstoffe von
den Aufnahmsorganen aufwärts in die assimilirenden und wachsenden Pflanzen-
theile. Bei den chlorophyllhaltigen Pflanzen, auf welche wir-uns hier beschränken
wollen, handelt es sich um die sogenannten »Nährsalze«, deren Elemente zum
grössten Theile in den »Aschenbestandtheilen« wiederkehren. — Endlich findet
in der Pflanze auch eine mehr oder minder ausgiebige Wanderung von plastischen
Bildungsstoffen statt, welche aus den assimilirenden Organen nach den ent-
sprechenden Verbrauchsstellen hingeleitet werden, mögen dieselben wachsende
Pflanzentheile und Gewebe oder anzufüllende Reservestoffbehälter sein. Hierher
gehören verschiedene Kohlehydrate, (Glycose, Stärke), Fette, Proteinstoffe und
Amide. Die Leitung aller dieser verschiedenartigen Stoffe regelt sich ganz nach
den jeweiligen Bedürfnissen der Pflanze und ihrer Theile; sie erfolgt von den
Wurzeln aufwärts in Stengel und Blätter, aus den Reservestoffbehältern in die
ebengenannten Organe und in die Wurzeln, aus den Laubblättern in die Knospen,
Blüthen, in reifende Samen und Früchte und wachsende Wurzeln u. s. f. Dabei
kann natürlich von einem einheitlichen aufsteigenden und einem absteigenden
Saftstrome nicht die Rede sein. Die einstige Lehre von der Saftcirculation in
der Pflanze, vom rohen Nahrungssafte und dem verarbeiteten Bildungssafte, be-
ruhte auf einer viel zu weitgehenden Verallgemeinerung einzelner Stoffleitungsvor
ginge, welche erst seit den wichtigen Untersuchungen von Sacus in das rechte
Licht gestellt wurden. —
Das stoffleitende Gewebesystem der Pflanze ist unter allen Systemen am
complicirtesten gebaut; seine Elemente sind von der gróssten Formenmannig-
faltigkeit. Es erscheint dies begreiflich, wenn wir uns die Verschiedenartigkeit
der Stoffe vergegenwártigen, welche das Leitungssystem zu translociren hat. Dass
ein wasserleitendes Element anders gebaut sein muss, als ein eiweissleitendes,
liegt auf der Hand. Andererseits wird niemand bezweifeln, dass es im Interesse
einer geregelten, stetigen Stoffleitung gelegen ist, für die wichtigsten Stoffe be-
sondere Leitungsbahnen auszubilden und so innerhalb des ganzen Systems dem
Principe die Arbeitstheilung den weitesten Spielraum zu lassen.
Wegen des so verschiedenartigen Baues der stoffleitenden Gewebe lassen
ScHENK, Handbuch der Botanik. Bd. IL. 42