Full text: Handbuch der Botanik (1. Abtheilung, 1. Theil, 2. Band)

   
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
672 Die physiologischen Leistungen der Pflanzengewebe. 
man zur Demonstration und zum Studium der Siebróhrenstructur hauptsächlich 
Schling- und Kletterpflanzen auswählte, nämlich Cucurbita Zepo, Lagenaria vulgaris, 
Vitis vinifera und Calamus Rotang. Nach WESTERMAIER und AMBRONN zeichnen 
sich auch Huymulus Lupulus, Passifloreen, Serjania-Arten, Clematis vitalba, Dios- 
coraea Batatas, Tamus communis, Lonicera Caprifolium u. A. durch schön ent- 
wickelte Siebróhren aus. — Bei Vitis vinifera sind iibrigens nicht bloss die Sieb- 
róhren gut ausgebildet, das ganze Leptom ist massig entwickelt, wie dies aus der 
Abbildung (Fig. 25 B) deutlich hervorgeht. Vergleicht man damit den schmalen 
Leptomsaum des Rankenquerschnittes (Fig. 25 A 1) so sieht man, dass die geringen 
Ansprüche an das Stoffleitungsvermógen der Ranken auch in der quantitativen 
Ausbildung der eiweissleitenden Gewebe sehr deutlich ausgesprochen sind. 
Je grósser die Ansprüche sind, welche an das Leptom bezüglich seines 
Leitungsvermógens gestellt werden, desto mehr bedarf es eines mechanischen 
Schutzes, um gegen alle die Stoffbewegung hemmenden und stórenden Pressungen 
verwahrt zu sein. Von diesem Gesichtspunkte aus versuchen WESTERMAIER und 
AMBRONN auch gewisse Anomalien des Dickenwachsthums von kletternden oder 
schlingenden Stämmen physiologisch zu deuten. Die Sapindaceen besitzen einen 
zusammengesetzten Holzkörper, in Folge dessen ein grosser Theil des Leptoms 
eine geschützte Lage zwischen den Xylempartien gewinnt. Bei den Bignoniaceen 
und einigen Apocyneen und Asclepiadeen liegen beträchliche Leptommassen in 
Einsenkungen des Holzkörpers und bei mehreren S/rychnos-Arten erscheinen 
einzelne Leptombiindel im Xylem formlich eingemauert?). 
Im Holzkórper der Dicotylen ist, wie wir gehört haben, die Leitung der 
Kohlehydrate dem Holzparenchym und den Markstrahlen übertragen. Bei den 
Schling- und Kletterpflanzen tritt nun das Holzparenchym in grósseren Gruppen 
auf als bei anderen Pflanzen und die Markstrahlen sind oft auffallend hoch und 
breit. Wáhrend diese letzteren sonst vorzugsweise die Leitung in radialer Richtung 
besorgen, scheinen sie hier subsidiár auch die Leitung in longitudinaler Richtung 
zu übernehmen. Also auch bezüglich des die Kohlehydrate leitenden Gewebes 
ist eine Anpassung an die gesteigerten Leitungsbedürfnisse nachzuweisen. 
Die vorliegenden, auf die Schling- und Kletterpflanzen bezugnehmenden Aus- 
einandersetzungen sind mehr oder minder vollstindig auch für andere Pflanzen 
mit hohen und dabei dünnen Stämmen giltig. So zeichnen sich z. B. viele Grami- 
neen und Cyperaceen durch weite Gefásse und Siebróhren aus. Ich verweise ferner 
in dieser Hinsicht auf die Abbildung eines Gefissbiindelquerschnittes von Bam- 
busa Simoni der die Anpassung an gesteigerte Leitungsansprüche nicht verkennen 
lässt (Fig. 23). 
F. Die Entwickelungsgeschichte des Leitungssystems. 
1. Die Gefássbündel In den weitaus meisten Füllen gehen die Gefüss- 
bündel aus primären Cambiumstrángen hervor. In einzelnen Fällen kônnen 
aber kleinere Gefássbündel auch aus dem Grundparenchym durch Vermittelung 
eines Folgecambiums entstehen. Auf diese Weise entwickeln sich z. B. die 
kleinen Anastomosen in den Diaphragmen des Schaftes von Papyrus antiquorum. 
Auch das sog. Interfascicularcambium des Dicotylenstammes ist ein solches 
Folgecambium und die von ihm erzeugten Elemente des Holzkórpers gehen in- 
direkt aus dem Grundparenchym hervor. In Ausnahmsfállen kónnen einzelne 
Gefässe auch direkt aus einer Reihe von Grundparenchymzellen hervorgehen. 
  
1) Eingehenderes über die morphologischen Verhiltnisse dieser Anomalien des Dickenwachs- 
thums findet sich bei DE BARv, Vergl. Anatomie, pag. 582 ff. u. 594 ff. 
    
      
  
   
   
   
  
  
   
  
  
  
   
  
  
  
   
   
  
  
  
  
  
  
  
   
   
   
   
   
     
  
   
   
   
   
   
   
    
    
    
   
   
   
   
  
    
  
  
   
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