Full text: Handbuch der Botanik (1. Abtheilung, 1. Theil, 2. Band)

  
78 System der Pflanzenphysiologie. 
Kohlensäure gegenüber wie ein Anziehungscentrum verhält. Die Kohlensäure 
passirt die Zellhaut!) und wird im Innern der grünen Zelle zerlegt. Der gebildete 
Sauerstoff lóst sich im Zellsaft auf, aber alsbald wird derselbe nicht mehr im 
Stande sein, die producirten beträchtlichen Sauerstoffmengen in Lösung zu erhalten, 
und ein Theil des Sauerstoffgases entweicht in Folge dessen, die Membran passirend, 
nach aussen. Wenn unsere grüne Pflanzenzelle dem Einflusse des Lichtes entzogen 
wird, so wirkt sie nicht mehr als Anziehungscentrum für Kohlensäure; sie nimmt unter 
solchen Umständen ausschliesslich Sauerstoff aus ihrer Umgebung auf und giebt 
dafür Kohlensäure ab. Ganz ühnlich verhalten sich chlorophyllfreie Zellen unter 
allen Verhältnissen. 
Weit complicirter gestalten sich die Verhältnisse der Gasbewegung bereits, 
wenn man es nicht mit einem einzelligen Organismus, sondern mit Pflanzen zu 
thun hat, welche Zellfäden, Zellflächen oder Zellkörper darstellen. Unter diesen 
Umständen findet nicht allein ein Gasaustausch zwischen dem umgebenden Me- 
dium und dem Innern der Zellen statt, sondern es können ebenso Wechsel- 
beziehungen zwischen den in den benachbarten Zellen vorhandenen Gasen hervor- 
treten, und in einem Zellkörper befinden sich ja viele Zellen überhaupt gar 
nicht in unmittelbarer Berührung mit der Luft oder dem Wasser. 
Man stelle sich vor, dass der eine Theil eines grünen Algenzellfadens inten- 
siv beleuchtet werde, der andere aber nur schwaches Licht empfange. Die Zellen 
jenes ersten Theiles werden viel Kohlensäure aufnehmen, in denjenigen des 
anderen Theiles kann aber eventuell die Energie, mit welcher die Stoffwechsel- 
prozesse verlaufen, bedeutender als die Assimilationsenergie ausfallen. Unter 
diesen Umständen wird der Zellsaft der intensiv beleuchteten Zellen sehr reich 
an Sauerstoff, derjenige der schwach insolirten Zellen aber reich an Kohlensäure 
sein müssen. Es ist unzweifelhaft, dass jene Zellen Sauerstoff, diese aber Kohlen- 
säure an das umgebende Medium abgeben werden; dagegen sind wir über die 
Gasbewegung, welche innerhalb des Zellfadens selbst zu Stande kommt, noch gar 
wenig orientirt. Wir dürfen nicht einmal behaupten, dass die schwach beleuch- 
teten Zellen Kohlensäure an die intensiv insolirten abgeben, denn die Resultate 
der bereits früher in einem ganz anderen Zusammenhange erwähnten Unter- 
suchungen MoLL’s haben ergeben, dass die Kohlensäure, welche gewissen Zellen 
eines Pflanzentheils in reichlichen Quantitäten zur Verfügung steht, und welche 
in diesen Zellen unter geeigneten Umständen eine reichliche Stärkebildung ver- 
anlasst, für das Zustandekommen des Assimilationsprozesses in benachbarten 
Zellen desselben Gewebes-bedeutungslos erscheint. 
b) Die höheren Wasserpflanzen. Für das Verständniss der Erscheinung 
der Gasbewegung in den höheren Gewächsen ist es unerlässlich, die anatomischen 
Eigenthümlichkeiten derselben nicht aus dem Auge zu verlieren und bei der 
Beurtheilung der Gasbewegung in den Wasserpflanzen, zunächst den submersen 
Wasserpflanzen, sind namentlich zwei Punkte von entscheidender Bedeutung. 
Erstens ist es nämlich sehr wichtig, dass die Spaltöffnungen diesen Gewächsen 
in der Regel fehlen, und zweitens verdient dies Beachtung, dass die Wasserpflanzen 
ein sehr mächtig ausgebildetes System von Intercellularräumen besitzen. 
In diesen Intercellularräumen müssen sich natürlich, da dieselben nicht durch 
Spaltöffnungen mit dem die Pflanzen umgebenden Medium in Communication stehen, 
I) Ueber diejenigen Verhältnisse, welche sich beim Durchtritt von Gasen durch pflanzliche 
Membranen geltend machen, werde ich mich weiter unten eingehender aussprechen. 
      
  
  
  
  
   
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
   
   
  
  
  
  
   
  
  
  
  
  
    
   
  
   
  
  
   
  
  
  
   
   
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