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A. Allgemeiner Theil. 125
Laubblatt, es besteht aus einer dreispitzigen grünen Platte, deren Mitteltheil der
Anlage der Blattspreite, die Seitentheile aber denen der Nebenblätter entsprechen:
Das Ganze ist, wie ich früher wahrscheinlich zu machen gesucht habe, als
Hemmungsbildung einer Laubblattanlage zu betrachten, also als ein auf früher
Entwicklungsstufe stehen gebliebenes und dann etwas verdndertes Laubblatt.
Dass das Primordialblatt sich zum Laubblatt entwickeln kann, zeigen die er-
wihnten Sprosse. Es treten dabei aber die mannigfaltigsten Mittel- und Miss-
bildungsformen zwischen Primordial- und Laubblatt?) auf, welch’ letzteres bei
Vicia Faba in der unteren Stengelregion zwei Fiederblittchen und zwischen ihnen
die verkümmerte Blattspitze zeigt. Man findet Primordialblátter, deren Spreitenanlage
sich nur sehr vergróssert hat, andere, bei denen ein aber nicht sehr scharf abge-
gliedertes und in den Blattstie! übergehendes Fiederbláttchen aufgetreten ist, oder
es sind deren zwei, von denen aber eines meist grósser ist als das andere. Der
Blattstiel ist gegen die Blattspreite meist nicht scharf abgesetzt, sondern breit
und grün, andere wieder Stellen vollkommene Laubblätter dar. Offenbar sind
die erwähnten, aus einer grösseren Reihe herausgegriffenen Mittelformen auch
hier bedingt durch das Entwicklungsstadium der Primordialblattanlage und die
Grösse des auf sie eintretenden Antriebs, der hier wie bei Ulmus in gesteigerter
Stoffzuführ zu suchen ist — eine zwar allgemeine, aber wenigstens das Wesen
der bedingenden Ursache andeutende Bezeichnung.
Derselbe Effect: reichliche und rasche Stoffzufuhr, welcher in den genannten
Fällen durch Entfernung bestimmter Sprossanlagen und Ueberführung des für
dieselben bestimmten Materials in andere Sprossanlagen herbeigeführt wird, kann
natürlich auch direkt auf die ganze Pflanze ausgeübt werden. Bekannt ist ja, dass
Fasciationen z. B. bei Celosia cristata sogar erblich sind, wenngleich keineswegs
streng, da unter den Sámlingen immer manche in die Normaltorm zurückschlagen,
Auch die eigenthiimliche Blattbildung von Zazkyrus Aphaca haben wir oben ja
als eine erbliche Missbildung bezeichnet, und es leuchtet schon daraus hervor,
wie interessant Untersuchungen über die Faktoren, welche das Zustandekommen
von Missbildungen bedingen, sind. Die bisherige Teratologie hat freilich dazu
beigetragen, die Missbildungen und deren Studium gründlich zu verleiden, denn
häufig genug ist es gegangen wie A. DE ST. HILAIRE sagt:?) »sans cette condition
les monstruosités favoriseraient également tous les rêves de l'imagination, ef comme
disait M. HENRI DE CASSINI on verrait en elles tout ce qu'on voudrait y
U02F.«
$8 4. »Die morphologische Dignitüt.« — In engem Zusammenhang mit
der Metamorphosenlehre und theilweise auch mit der Behandlung der Teratologie
steht die Frage nach dem morphologischen Werth, oder wie man sich auch
ausdrückte, nach der »Dignitüát« oder »Würde« der Organe. Eine genauere
Untersuchung zeigt, dass die so ungemein verschiedenen Functionen angepassten
Organe der Pflanzen sich doch auf wenige Grundorgane zurückführen lassen,
oder mit anderen Worten, dass, wie oben hervorgehoben wurde, ein und dasselbe
Organ z. B. ein Laubblatt sich den verschiedensten Functionen anpassen und
dabei seine Gestalt ändern kann. Und zwar fassen wir diesen Vorgang nicht
als einen ideellen, begrifflichen, sondern als einen realen auf, wie oben bei Be-
P Es ist die Entwicklung von Laubbláttern aus Primordialblatt-Anlagen zugleich eine
experimentelle Stütze der Ansicht, dass die Primordialblätter Hemmungsbildungen von Laub-
blüttern seien.
?) Leçons de botanique, pag. 824.
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