136 Vergleichende Entwicklungsgeschichte der Pflanzenorgane.
die Morphologie, sagt bei Besprechung der Blattentwickelung:!) »Erst dann wird
hier ein Fortschritt möglich sein, wenn wir den ganzen Bildungsprocess des
Blattes in die Bildungsgeschichte seiner einzelnen Zellen aufgelöst haben.« Der-
selbe Gedanke ist noch vielfach sonst ausgesprochen worden, und fand seine
Realisirung wenigstens für viele Thallophyten, Muscineen und Gefässkryptogamen
durch die von NAEGELI begründete Fı ragestellung und genaue Praecision in der
Untersuchung der Zelltheilungsfolgen. Zunächst ist klar, dass eine nähere
Kenntniss über das Zustandekommen des zelligen Baues der Pflanzen auch für
die Untersuchung der Organenentwicklung von grosser Bedeutung sein muss.
Wissen wir doch, dass jede Pflanze ein Entwicklungsstadium durchläuft, in
welchem sie aus einer einzigen Zelle besteht,?) sei diese nun eine Eizelle oder
die ungeschlechtlich erzeugte Spore ‚eines Mooses, Farnkrauts, einer Alge oder
eines Pilzes. Allein nur bei wenigen Pflanzenabtheilungen besteht auch der fertige
Vegetationskórper noch aus einer Zelle. Gewöhnlich ist vielmehr mit der Ent
wicklung aus dem einzelligen Zustand eine mehr oder weniger ausgiebige Zell-
vermehrung verbunden. Diese erfolgt ausschliesslich durch Zelltheilung, die
in mehreren Modifikationen auftritt, deren Einzelnheiten hier nicht zu verfolgen
sind. Was auch für die Organbildung wichtig ist, dass ist die Thatsache, dass
neue Zellen nur aus schon vorhandenem hervorgehen, eine Neubildung von
Zellen ausserhalb von Zellen also nicht stattfindet. Was von der ganzen Zelle
gilt, das gilt eben auch von den einzelnen geformten Bestandtheilen derselben.
Wir kennen von denselben speciell den Zellkern, und die Chlorophyllkórper.
Es geht aus den neueren Untersuchungen hervor, dass die sámmtlichen Zellkerne,
welche in den Zellen einer erwachsenen, vielzelligen Pflanze vorhanden sind, her-
vorgegangen sind aus der Theilung des Zellkerns der Eizelle, aus welcher die
Pflanze sich entwickelt hat. Eine Neubildung von Zel ecentbstáuz findet nicht statt,
sondern nur Wachsthum und Theilung der schon vorhandenen. Es ist die That-
sache insofern von theoretischer Bedeutung für die Organbildung, als, wie es
scheint, die Befruchtung hauptsächlich darauf beruht, dass dem Zellkern der
Eizelle Substanz des männlichen Befruchtungselements, bei den Moosen und
Farnen z. B. des Spermatozoids zugeführt wird. Das Spermatozoid aber besteht
der Hauptsache nach aus Zellkernsubstanz, welche sich mit der des Kernes
der Eizelle vereinigt. Da nun die sämmtlichen Kerne der erwachsenen Pflanze
indirekt durch Theilung des Eikerns entstanden sind, so werden sie auch mini-
male Quantitäten der Substanz des Spermatozoids enthalten, und folglich in
ihrer Entwicklung von dieser beeinflusst werden. Es ist diese Kontinuität der
Substanz, wie ich sie kurz bezeichnen möchte, bei der Beurtheilung der Faktoren,
auf denen die Vererbung beruht, zu berücksichtigen. Diese Kontinuität der
Substanz gilt aber nicht blos für die Zellkerne, sondern auch für andere geformte
Inhaltsbestandtheile der Zellen. So die protoplasmatischen Grundlagen der
Chlorophyllkörper: auch diese sind offenbar in der ganzen Pflanze hervor-
gegangen aus der Theilung der in der Eizelle vorhandenen Körpe
Untersuchen wir nun die Zellenanordnung in jugendlichen CT n, in denen
intensive Zelltheilung stattfindet, also in Vegetationspunkten, Embryonen etc., so
zeigt sich, dass die Richtungen der neu auftretenden Theilungswände keine will-
kürlichen sind, dass nicht jede einzelne Zelle ihr von den übrigen unabhängiges
!) Grundzüge der wiss. Botanik. ı. Aufl. II. Bd. pag. 167.
?) Die Fille von Fortpflanzung der Ableger, durch Isolirung von Sprossen etc. werden hier
absichtlich ausser Betracht gelassen, da sie nur sekundäre Modifikationen vorstellen,
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