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A. Allgemeiner Theil. 143
Abtheilung der Siphoneen) besitzen nicht zwei sich different verhaltende, sondern
je zwei gleiche, einander gegenüberliegende Seiten. Allerdings zeigen die bilateralen
und dorsiventralen Sprosse in vielen Fállen mit einander eine Verwandtschaft derart,
dass wenn man sich die Rückenseite und die Bauchseite eines dorsiventralen
Sprosses gleich ausgebildet denkt, ein bilateraler resultirt; allem auch aus
radiären Sprossen können dorsiventrale hervorgehen: wir dürfen uns einen Spross
mit schraubig gestellten Sprossungen nur halbirt denken, so erhalten wir eine
mit Sprossungen (Blättern etc.) besetzte und eine nicht mit Sprossungen ver-
sehene Seite, das ganze Gebilde aber ist nicht durch einen Schnitt symmetrisch
theilbar. Dass dies keine blosse Construktion ist, zeigen die Inflorescenzen
mancher Papilionaceen, z. B. die von Vicia Cracca, welche eine bliithentragende
Seite, auf welcher die Blüthen in Schrügzeilen (Parastichen) und eine blüthen-
leere Seite besitzen. Es ist ferner zu bemerken, dass aus lauter dorsiventralen
Sprossen ein in seiner Gesammtheit radiäres Verzweigungssystem zusammengesetzt
sein kann. So sind die Sprosse der Ulme sämmtlich, wenn auch nur schwach
dorsiventral, wie das aus der Insertion der Blätter hervorgeht, die zweizeilig,
aber nicht auf den Flanken der Sprosse, sondern der Oberseite derselben ge-
nähert stehen. Ein Ulmenstamm ist ein Sympodium, zusammengesetzt aus
lauter solchen dorsiventralen oder wenn man will, bilateralen Sprossen, die aber
da die Verzweigungsebenen der successiven Sprosse nicht zusammeníallen in
ihrer Gesammtheit doch ein radiüres System darstellen. Dasselbe ist der Fall
bei manchen Inflorescenzen, z. B. den walzenfórmigen Blüthenstinden von
Alopecurus und Phleum, die man sich aus »spiraliger« Verzweigung hervorge-
gangen dachte. In Wirklichkeit aber sind sie gebildet von lauter dorsiventral-
zweizeilig verzweigten Sprosssystemen, deren Verzweigungsebenen sich aber mit
einander kreuzen, und so in ihrer Gesammtheit eine radiäre Inflorescenz hervor-
bringen, deren eigenthümlicher Habitus dadurch zu Stande kommt, dass sámmt-
liche Internodien kurz bleiben.!)
Fassen wir nun speciell die dorsiventral verzweigten Sprosse ins Auge, so
kann sich die Verschiedenheit von Rückenseite und Bauchseite der Sprosse ent-
weder darin äussern, dass sie verschiedenartige Sprossungen produciren z. B. die
Bauchseite Wurzeln, die Rückenseite Blätter, oder aber darin, dass überhaupt
nur eine von beiden mit Sprossungen ausgestattet ist. Als Rückenseite bezeichnen
wir dabei bei kriechenden, kletternden und schwimmenden Sprossen die Ober-
seite, die Unterseite als Bauchseite, während bei Inflorescenzen etc. die der
Hauptachse zugewendete Seite den letzteren Namen führen mag.
Dorsiventrale Sprosse finden sich nun in merkwürdiger Uebereinstimmung
der Organisation bei den einfachsten wie den hóchst organisirten Formen. Einige
Beispiele mógen genügen. Der kriechende Stamm der Siphonee Caw/zzfa bildet
auf seiner Unterseite Wurzeln, auf seinen Flanken Zweige, auf seiner Rückenseite
Blätter. Aehnlich verhilt sich die Floridee Herposiphonia, bei welcher auf der
Riickenseite zwei Reihen Blitter, auf den Flanken Seitensprosse, auf der Bauch-
seite Wurzeln stehen, Stellungsverhältnisse die wie ich a. a. O. gezeigt habe, ge-
nau übereinstimmen mit denjenigen, welche sich bei den Farnen Marsilia und
Pilularia (auch einigen Hymenophylleen) finden. Es giebt unter den Farn-
krüutern nach PRANTL und KLEIN sogar Formen, welche nur eine einzige Blatt-
1) Beiträge zur Entwicklungsgeschichte einiger Inflorescenzen, PmiNGsH. Jahrb. für wiss.
Bot, XIV. Bd., pag. 6, Fig. 1. Taf I.