144 Vergleichende Entwicklungsgeschichte der Pflanzenorgane.
zeile auf der Rückenseite ihres kriechenden Stammes haben, so Zygodium pal-
matum, Polypodium Heracleum und quercifolium. Es geht schon aus dem Gesagten
hervor, dass bei den genannten Pflanzen die Beziehungen von Blättern und
Sprossen nicht die sind, dass die Sprosse in den Achseln der Blätter stehen,
sondern »die Beziehungen von Blatt und Spross sind gewöhnlich der Gesammt-
symmetrie des Sprosssystemes untergeordnet.« Bei Lemna und Utricularia spricht
sich dies darin aus, dass die Seitensprosse auf der Riickenseite dcr Haupt-
achse, die Blitter bei Utricularia (Lemna ist blattlos) auf den Flanken stehen, und
zwar bei Utricularia ohne bestimmte Beziehung zu den Blättern, nur selten trifit
man solche, welche Sprosse in ihren Achseln haben. Wie verschieden übrigens
die Stellungsverhältnisse sein kännen, geht daraus hervor, dass die dorsiventralen
Sprosse der thallosen Jungermannieen die Geschlechtsorgane auf ihrer Rücken-,
die Farnprothalien dagegen auf ihrer Bauchseite tragen, bei beiden aber ist es
ausschliesslich die letztere Seite, welche die aus einfachen Zellen bestehenden
Wurzeln producirt.
In all den bisher genannten Fàállen steht die Dorsiventralitát in Beziehung
zu dem Substrate, welchem die Bauchseite der betreffenden Sprosse zugekehrt
ist. Bei manchen Inflorescenzen dagegen steht dieselbe in Beziehung zu dem
Mutterorgan, es sind diese Inflorescenzen fast ausschliesslich Seitensprosse, bei
manchen Grüsern aber z. B. bei ZVardus ist auch die Hauptachse selbst dorsi-
ventral verzweigt; Andeutungen von einer Differenz von Rücken- und Bauchseite
findet man auch bei den vegetativen Sprossen der Gráser, deren zweizeilig ge-
stellte Blattanlagen einander auf der einen Seite mehr genähert sind, als auf der
andern. Auch hier mag es genügen auf einige Beispiele hinzuweisen, und zu
betonen, dass derartige Fülle früher unter dem Einflusse der Spiraltheorie durch
Annahme von Verwachsungen, Verschiebungen etc. unhaltbaren Deutungen unter-
zogen wurden. Es wurde z. B. als ein Unterscheidungsmerkmal von Stamm- und
Blattorganen aufgestellt, dass letztere zwei sich different ausbildende Seiten besitzen.
Jene Annahmen von Verschiebungen etc. aber widerlegen sich dadurch, dass
die Dorsiventralitit der betreffenden Sprosse schon am Vegetationspunkt der-
selben, noch vor Auftreten von Seitensprossungen ausgeprágt zu sein pflegt.
Merkwürdige dorsiventrale Inflorescenzen bieten namentlich die Urticaceen:
bei Urtica dioica entstehen zwei Reihen von Inflorescenzzweigen auf der Rücken-
seite der Inflorescenzhauptachse, es kommt dadurch ein verzweigtes Inflorescenz-
achsengerüst zu Stande, das auf seiner Rückenseite Blüthenknäuel trägt, während
die Blüthen von Dorstenia auf einer dichotom verzweigten kuchenfórmigen ge-
stielten Platte stehen. — In besonderer Ausdehnung finden sich dorsiventrale
Inflorescenzen auch bei den Papilionaceen, bei welchen sie vielfach irrthümlicher-
weise mit den, hier ebenfalls vorkommenden einseitswendigen (in Wirklichkeit
aber radiär ausgebildeten) verwechselt werden. Namentlich deutlich ist das Ver-
hiltniss bei Vicia, Lathyrus, Orobus zu sehen, wo die Blüthen auf der Bauchseite
der Inflorescenzachse sich entwickeln, während dies Verhältniss in andern Fällen
(z. B. Anthyllis, Lotus, Hippocrepis u. a.) mehr verdeckt ist. — Dorsiventrale In-
florescenzen sind auch die der entwicklungsgeschichtlich untersuchten Boragineen,
die Blüthen stehen auf dem Rücken, die Blätter auf den Flanken, und ähnlich
ist es bei manchen Solaneen, wie z. B. bei Zyoscyamus.!)
> + Es sind die letztgenannten Inflorescenzen bekanntlich solche, welche gewönlich für
Wickel, also cymöse, sympodiale Blüthenstände erklärt werden. Die Entwicklungsgeschichte steht
dem aber, wie ich a, a. O. nachgewiesen habe, entgegen. Zugegeben, dass diese Inflorescenzen
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