Full text: Handbuch der Botanik (1. Abtheilung, 1. Theil, 3. Band, 2. Hälfte)

178 Die systematische und geographische Anordnung der Phanerogamen. 
stándig ausgerottet hátten, um sie durch ganz neue zu ersetzen, noch jetzt be- 
rechtigt wären. 
Glücklicher Weise haben die Forschungen der Geologen und der durch 
DanwIN in neuen Ideenkreisen auf das lebhafteste angeregten organischen Natur- 
forscher sich zu ziemlich gut aneinanderschliessenden Ergebnissen vereinigt, 
welche die continuirliche Fortentwicklung im Grossen und Ganzen betonen und 
nur zwischen Perioden grösserer geologischer Stabilität und solchen lebhafterer 
Umänderung unterscheiden; während und nach den letzteren scheint die be- 
stehende Organisation am meisten von dem alten dermaligen Bestande verloren 
und neue, aus den alten mit Transmutation hervorgegangene Formen in ver- 
háltnissmássig hóherer Entwicklung gewonnen zu haben. 
Der Gedanke an continuirliche Weiterentwicklung leidet unzweifelhaft nicht 
darunter, dass für gewisse sehr tief in der morphologischen Stufenleiter stehende 
Pflanzenklassen, wie alle Spaltpilze und auch die Oscillariaceen, Rivulariaceen, 
Chroococcaceen und Verwandte sind, und welche man wohl vielfach für den Ur- 
typus sehr alter, aus lángst verschwundenen Erdperioden überlebender Pflanzen- 
gruppen zu halten geneigt war, in neuerer Zeit Wahrscheinlichkeiten für ein 
jugendliches Alter geltend gemacht sind; so besonders von NàácELL?) Man muss 
sich zwar alsdann daran gewöhnen, die nächst höheren Pflanzengruppen (in 
diesem Falle also die Chlorophyll führenden Algen), welche man aus diesen 
Gliedern des Systems von morphologisch niederstem Range abgeleitet sich vor- 
stellte, hinsichtlich ihres Ursprunges auf andere, ausgestorbene und der jetzigen 
Forschung nicht mehr erkennbare, Vorfahren zu beziehen; aber für die höheren 
und höchsten Gewächse bleibt desswegen doch die Anschauung der steten Weiter- 
entwicklung aus (bekannten oder unbekannten) Stämmen, welche, wenn sie nicht 
mit den jetzigen niedersten Formenkreisen übereinstimmen, doch diesen ähnlich 
gewesen sein werden, als vollgültig bestehen. — Eine ebenfalls vertiefte Auffassung 
der Weiterentwicklung in langen Erdperioden entwirft heutzutage die Geologie 
von ihrem anderweiten Standpunkte aus; so führen uns von hervorragenden 
Paläontologen MARION und SAPORTA!) zu einer weniger abstrakten Vorstellung 
der von der Geologie seit lange in feststehender Form unterschiedenen Schichten, 
aus deren geologischem Verhalten schon allein sich nicht die Vorstellung einer 
Aufeinanderfolge regelmässiger Perioden ableiten lässt, die sich über einen Con- 
tinent oder gar über den ganzen Erdball erstreckt hätten. »Hätten wirklich 
solche Perioden existirt,« so äussern sich die genannten Forscher, »und wollte 
man annehmen, sie seien rein biologische gewesen, d. h. solche, welche in keiner 
direkten Verbindung mit den Bewegungen und Schwankungen der Erdrinde 
stehen, so müsste man trotz der Armuth gewisser Schichten und der Lücken, 
die sie zeigen, hier und da Anzeichen einer allmählichen und gleichzeitigen 
Entwicklung der verschiedenen Klassen organisirter Wesen bemerken, die 
zu bestimmter Zeit auftreten und gleichzeitig erlöschen. Mit einem Worte, 
Beginn und Ende jeder dieser vorgeblichen Perioden würden sich in über- 
einstimmenden Erscheinungen aussprechen, und wir würden aus unzweideutigen 
Merkmalen die wahrscheinliche Zeit aller dieser Erneuerungen des organischen 
Lebens auf der Erdoberfläche ableiten können. Indess ist der Verlauf der Dinge 
1) NAGFLI, Mechanisch-physiologische Theorie der Abstammungslehre, pag. 465—468. 
?) G. DE SAPORTA und A. F. MARION: Die paläontologische Entwicklung des Pflanzen- 
reichs; Kap. 1; Die Vegetationsperioden (Internat. wissensch. Bibl, Bd. 54. Leipzig 1883). 
    
       
   
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
      
   
   
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