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Geograph. Theil. I. Abschnitt. Entwicklung d. Florenreiche in den jüngeren Erdperioden. 415
sprüche oder eine leichte »Acclimatisation«, d. h. Gewöhnung an veränderte
klimatische Bedingungen; aber irgend welche klimatische Grenzen sind unüber-
schreitbar, und wo sich dieselben an einzelnen Punkten der Erde (z. B. auf hohen,
unter den Wendekreisen gelegenen Gebirgen) häufen und zwingend einstellen,
sind diese zugleich die natürlichen Absonderungsgrenzen benachbarter Floren mit
einander fernstehenden Pflanzenbürgern.
Es wird nach dem Angeführten die Grösse des Areals, welches eine be-
stimmte Art einnehmen kann, abhängen von ihrer Ausbreitungsfähigkeit,
welche durch ihre eigene Organisation und Samenerzeugung mit »Disseminations-
Einrichtungen« bedingt wird; von dem Reichthum an Standorten, welche
sie zur Besiedelung für sich geeignet vorfindet, und wo es nicht allein auf die
dichte oder spärliche Besetzung des Bodens von Mitbewerbern, sondern noch
mehr auf die geographische Lage des Ortes ankommt, von dem aus sie ihr Areal
vergrössern soll; und endlich von der Weite und Leichtigkeit ihrer Acclima-
tisation.
Die geographische Lage der Ausgangspunkte erfordert noch besondere Hinweise: eine
in ihrer Ausbreitungsfähigkeit und Acclimatisation gut organisirte Art wird sich dennoch kaum
durch Wanderung verbreiten können, wenn sie auf einer kleinen Insel mitten im Ocean und
fern von anderen Inselgebieten lebt; auch in continentaler Lage wird ihr ihre Organisation
nichts nützen, wenn sie z. B. in einem engen Thal eingeschlossen allseitig durch unübersteig-
bare locale Standortsschranken in ihrer Wanderung gehemmt ist. Mitten in einem grossen
Ländergebiete mit gleichmässigem Klima wird die Ausbreitung einer Art am leichtesten möglich,
und es findet sich daher auch die grösste Zahl grosser Art-Areale theils in den ein zusammen-
hängendes Gebiet bildenden Ebenen und Bergwäldern von Europa, Sibirien und Nord-Amerika
in mittleren Breiten, theils in den tropisch-afrikanischen Savannen nördlich und südlich von den
Guinea-Landschaften, oder in dem Wüstengürtel von der westlichen Sahara bis in das Herz von
Asien.
Was wir jetzt vor unseren Augen sich vollziehen sehen, oder was in seinen
Erfolgen aus den jüngst vergangenen geologischen Entwicklungen der Erde noch
so klar und unzweideutig vor uns liegt, als wenn wir es fast selbst hätten wahr-
nehmen können, das muss in den alten Zeiten der Erde ebenso oder wenigstens
den damaligen Zuständen angemessen ähnlich gewesen sein; unausgesetzt
müssen die Wanderungen der Pflanzen ihre Areale verschoben und den Floren-
bestand der einzelnen Länder verändert haben. Wenn aber dann einmal in ein
durch Wanderung erworbenes Areal Scheidelinien eingeschaltet wurden, wenn
ein Meer trennend in ein weites Ländergebiet eindrang, eine Wüste entstand
oder ein Schneegebirge sich erhob, so mussten die durch diese getrennten Areale
zu gesonderter Weiterentwicklung der Theile führen und dadurch zu den
verwandten «correspondirenden» oder »reprásentativen« morphologischen
Formen hüben und drüben Veranlassung geben.
Es war bis jetzt immer nur von den Arealen der Arten die Rede, weil
diese in der That die erste Grundlage darstellen, auf der die Pflanzengeographie
aufzubauen hat. Es ist aber natürlich, dass etwas ähnliches wie für die Arten
auch für die Gattungen und die folgenden höheren Sippen hinsichtlich ihrer Are-
ale gelten muss, da der einheitliche Ursprung der Gattungen und sogar der Mehr-
zahl von Ordnungen dies so verlangt. '"lhatsüchlich haben bei weitem die meisten
Gattungen ein gut umgrenztes Areal, auch noch viele Tribus grósserer Ordnun-
gen und selbst manche Ordnungen; die Mehrzahl der Ordnungen ist überwie-
gend entwickelt entweder in der tropischen, oder in der borealen, oder in der
australen Abtheilung aller Länder, und viele Ordnungen sind auf nur eine dieser
ScHEng, Handbuch der Botanik. Bd. III 2. 2