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I. Abschnitt. Kapitel 6. Kerntheilung und Kernverschmelzung 527
schen Eigenschaften des Zellkerns eine sehr umfangreiche Literatur vorliegt, die
vor Kurzem von ZACHARIAS (II, 627) zusammengestellt wurde, fehlen in dieser
Hinsicht irgendwie sichergestellte Resultate noch fast gánzlich. Vor Allem scheint
es mir geboten, besonders hervorzuheben, dass die Ausdrücke Chromatin, chroma-
tische und achromatische Substanz u. dergl, die auch im Obigen wiederholt an-
gewandt wurden, keineswegs etwa zur Bezeichnung irgend welcher bestimmter
chemischer Verbindungen dienen kónnen; sie beziehen sich vielmehr nur auf
das Verhalten zu ganz bestimmten Farbstoffen, das über die stoffliche Zusammen-
setzung der betreffenden Kórper keinen Aufschluss geben kann.
Als wahrscheinlich ist es jedoch nach den vorliegenden Untersuchungen an-
zusehen, dass im Zellkern neben den eigentlichen Eiweissstoffen das Nuclein
sehr verbreitet ist. Es ist dies eine Verbindung oder eine Gruppe von ver-
wandten Verbindungen, die den Proteinstoffen zwar in chemischer Beziehung wohl
sehr nahe stehen, sich von diesen aber durch den Gehalt an Phosphor und da-
durch, dass sie von angesáuerter Pepsinlósung nicht in Lósung übergeführt werden,
unterscheiden. Uebrigens sind die chemischen Eigenschaften der Nucleine noch
weniger sicher erforscht als die der Eiweissstoffe, und es ist auch namentlich ihre
Beziehung zu diesen noch nicht festgestellt (cf. ZACHARIAS II, 639).
Schliesslich. sei noch bemerkt, dass die Nucleolen, für die bereits ver-
schiedene Autoren ein von dem Kerngerüst abweichendes Verhalten gegen Tinc-
tionsmittel constatirt hatten, nach den neueren Untersuchungen von ZaCHARIAS
(IV, 262) kein Nuclein enthalten, sondern vorwiegend aus Eiweissstoffen und
Plastin bestehen sollen.
Kapitel 6.
Kerntheilung und Kernverschmelzung.
Eine Neubildung von Kernen durch direkte Differenzirung aus dem Cyto-
plasma der Zelle findet nach unseren jetzigen Kenntnissen niemals statt; wenigstens
ist in allen den Fällen, wo man früher ein Verschwinden und Wiedererscheinen
der Kerne glaubte annehmen zu müssen, namentlich durch die umfassenden
Untersuchungen von STRASBURGER und SCHMITZ nachgewiesen, dass dies Verschwin-
den nur ein scheinbares ist und dass in den meisten Fällen die complicirten
Veränderungen, welche der Kern während der Theilung erleidet, die Täuschung
der älteren Autoren veranlasst haben.
Allerdings ist noch vor Kurzem von PROHASKA (I und IT) ein Fall beschrieben worden,
in dem eine Neubildung von Kernen stattfinden sollte. Nach den Beobachtungen dieses Autors
sollten nämlich im Embryosack verschiedener Daphne spec. nach der Befruchtung zahlreiche
Kerne durch direkte Differenzirung im plasmatischen Wandbelag entstehen und später zu Endo-
spermkernen werden, Nach STRASBURGER’s Untersuchungen (VIII und IX) haben wir jedoch
die von PROHASKA als junge Kerne gedeuteten Gebilde als eigenartige Plasmaansammlungen,
zum Theil auch als inhaltleere Vacuolen aufzufassen, die zu den Endospermkernen in keiner
genetischen Beziehung stehen. In der That konnte STRASBURGER neben jenen fraglichen Ge-
bilden auch das Vorhandensein und die Theilung des normalen Embryosackkernes beobachten.
Ebenso ist übrigens auch in thierischen Zellen eine Neubildung von Kernen
in keinem Falle mit voller Evidenz nachgewiesen; immerhin liegen in dieser
Hinsicht noch einige nicht völlig aufgeklärte Beobachtungen vor (cf. FLEMMING,
I, 366).
Alle Vermehrung der Kerne beruht somit, soviel wir zur Zeit mit Sicherheit
SCHENK, Handbuch der Botanik. Bd. III2.