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I. Abschnitt. Kapitel 6. Kerntheilung und Kernverschmelzung. 539
geboten auf diese Probleme, die zur Zeit einer exacten Lösung noch gänzlich unfähig sind, näher
einzugehen. Erwähnen will ich nur die von Roux (I) aufgestellte Hypothese, nach welcher die
indirekte Kerntheilung bei der Uebertragung der erblichen Eigenthümlichkeiten von Zelle zu
Zelle eine wichtige Rolle spielen soll. Der genannte Autor betrachtet nämlich die Chromatin-
kugeln des Kernfadens als Träger der verschiedenen erblichen Qualitäten und sieht den Haupt-
zweck der Karyokinese darin, die Chromatinkugeln zu halbiren und jedem Tochterkerne eine
Hälfte derselben zuzuführen.
3. Kernverschmelzung.
Eine Verschmelzung der Zellkerne findet sich als normaler Vorgang wohl
nur in den Organen der sexuellen Fortpflanzung. Einen der einfachsten Fälle
bildet in dieser Beziehung die Zygosporenbildung der Spirogyren. Von SCHMITZ
(VI, 23) wurde nun der Nachweis geliefert, dass während dieses Prozesses die
Kerne der beiden conjugirenden Zellen keineswegs verschwinden, wie man früher
annahm, sondern sich zu einem Kerne vereinigen, der auch in der reifen Zygo-
spore noch nachweisbar ist. Ebenso ist es nach den Beobachtungen von 1. BEHRENS
(I) sehr wahrscheinlich, dass bei Fucus vesiculosus der Kern des Spermatozoids
mit dem der Eizelle verschmilzt. Für Zythium hat ferner FıscH (II) die Ver-
einigung des aus der Antheridialzelle stammenden Kernes mit dem Kerne der
Oosphäre aus der Vergleichung fixirter und tingirter Práparate erschlossen. Nach
den Untersuchungen von STRASBURGER (V, 49) findet nun aber eine Verschmelzung
der Kerne auch bei dem Sexualacte aller Panerogamen statt. Es soll nach diesen der
aus der grósseren Zelle des Pollenkorns stammende Kern vom Pollenschlauch aus in
die Eizelle eindringen und mit dem in dieser Zelle enthaltenen Kerne verschmelzen.
Abgesehen von dem eigentlichen Geschlechtsakt scheint übrigens auch noch
Kernverschmelzung in den weiblichen Organen vor der Befruchtung nicht selten
vorzukommen. Dieselbe wurde schon von Scnurrz (VI, 5) für Vaucheria wahrschein-
lich gemacht; es sollen nämlich nach den Angaben dieses Autors in der
Oosphäre zunächst zahlreiche kleine Kerne, schliesslich aber wahrscheinlich nur ein
grosser Kern vorhanden sein. Später hat STRASBURGER (VI, 61) die Verschmel-
zung zahlreicher Kerne in der Oosphüre von Saprolegnia, Fiscu (II, 150) ein
Gleiches in der von Pythium nachgewiesen.
Ferner entsteht bekanntlich der sogenannte secundäre Embryosackkern, aus
dem später durch wiederholte Zweitheilung die Endospermzellen hervorgehen,
durch Verschmelzung zweier Kerne, die von den beiden Enden des Embryosackes
aus sich auf einander zu bewegen.
Endlich hat STRASBURGER (VI, 23) auch in den Endospermzellen von Cory-
dalis cava Kernverschmelzung beobachtet. Hier sollen nämlich bei der Membran-
bildung im Endosperm stets mehrere Zellkerne von einer Membran umgrenzt
sein, diese sollen sich sogar noch weiter theilen können, schliesslich aber stets
zu einem Kerne in jeder Zelle verschmelzen. Diese Beobachtungen STRASBURGER'S
wurden später von SOLTWEDEL (I, 374) bestütigt. Der letztgenannte Autor hat im
Endosperm von Leucojum vernum sogar Bilder beobachtet, die auf eine Ver-
schmelzung der Kerne wührend der Karyokinese hindeuten.
Ueber die Art und Weise der Kernverschmelzung lésst sich wenig sagen;
dieselbe geschieht, soweit die vorliegenden Untersuchungen in dieser Beziehung
ein Urtheil erlauben, stets in der denkbar einfachsten Weise und ohne Bildung
irgendwelcher Differenzirungen im Kern.