Full text: Handwörterbuch der Mineralogie, Geologie und Paläontologie (2. Abtheilung, 1. Theil, 2. Band)

   
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Organismen als Vermittler geologischer Bildungen. 481 
Die Sciara viva, die noch lebendige Schlacke der uralten Lavastróme des 
Aetna, die in Jahrhunderten ihre Beschaffenheit nicht geändert hatte, ist in noch 
nicht einem Jahrhundert zu rebentragendem Boden gelockert, seit man es gelernt 
hat, die Pionire der Verwitterung, die Ginsterstauden und die indische Feige auf 
ihnen anzupflanzen. 
Die Pflanzen wirken in diesen Fällen nicht nur mechanisch, sondern auch 
chemisch, indem sie den Kreislauf der Kohlensäure und des Sauerstoffes bedingen. 
Auch durch ihren reducirenden Einfluss, z. B. auf Schwefelmetalle, und durch die 
sehr beträchtlich lösende Kraft der Humussäuren wirken die Pflanzen zerstörend 
auf die Gesteine, auf denen sie wachsen. Wasserpflanzen entziehen dem Wasser 
Kohlensäure und zersetzen dieselbe zu frei werdendem Sauerstoff und Kohlen- 
stoff, den sie in sich aufnehmen. Enthält das Wasser gelösten kohlensauren 
Kalk, so wird dieser bei Entziehung der Kohlensäure zum Ausfallen gebracht 
und incrustirt die Pflanzen, welche daran Schuld sind (Sumpfmoose und Charen). 
So bildet sich Kalksinter oder Travertin. Die Pflanzen aber wachsen über die 
Spitzen der incrustirten Theile hinaus weiter und setzen den Prozess der Kalk- 
abscheidung fort. So entstehen mächtige Ablagerungen von Kalktuft, wie sie im 
Diluvium von Cannstatt in Württemberg und in der Umgebung von Tivoli bei 
Rom und an vielen anderen Stellen sich finden. 
Andererseits schützt die Vegetation bekanntermaassen die Oberfläche der 
Felsen und Gebirge vor Abtragung durch atmosphärische Wasser und den Wind. 
Wie bedeutend dieser Einfluss sein kann, zeigt sich am besten an den Dünen, 
deren vernichtender Fortschritt durch geeignete Anpflanzungen gehemmt werden 
kann (Artikel: Atmosphäre I, pag. 77). Wie die entwaldeten Hóhen der Hoch- 
gebirge den Wirkungen der Regengüsse unterliegen, wie die kahlen und nicht 
mit Pflanzendecke versehenen Rücken des Karstgebirges und in der Gegend von 
Marseille von den heftigen Sturmwinden abgetragen werden, ist bekannt. Ganz 
ausserordentlich ist der Einfluss, den die Zerstörung der Waldungen im südlichen 
Italien und in den Alpen auf die Verheerungen ausübt, welche in Folge gewaltig 
eintretender atmosphärischer Niederschläge und der daraus hervorgehenden Wasser- 
fluthen und Ueberschwemmungen in den Flussgebieten und an ihren Thalwänden 
sich vollziehen (I, 79). So schützen im Gegentheile die dicken Lagen von Torf 
auf den Höhen der irischen und schottischen Hochgebirge diese vor schnellerer 
Denudation, und manche marine Pflanzen, so z. B. kalkige Nulliporen, indem sie 
feste Incrustationen über den Felsen der Meeresküste bilden, dienen auch diesen 
zum Schutz. 
Auch einzelne lebende Thiere üben einen ersichtlich zerstörenden Einfluss 
auf die festen Theile der Erdoberfläche aus. 
DARWIN hat zuerst auf die im Laufe langer Zeiten ins Grosse sich summirenden 
Wirkungen der Würmer die Aufmerksamkeit gelenkt. Er fand, dass in 15 Jahren 
ein Lager von hartem Mergel unter einer Decke von Lehm von 3 Zoll Mächtig- 
keit verschwand. Diese Wirkung schreibt er den Würmern zu, welche den Unter- 
grund durchwühlen, ihn den Angriffen der Atmosphärilien zugänglich machen, 
aus der Tiefe Material an die Oberfläche bringen und dergleichen mehr. Ohne 
Zweifel werden die Bestandtheile des Bodens durch die Thätigkeit der Würmer 
durcheinander gemischt und zu grösserer Fruchtbarkeit vorbereitet. In ähnlicher 
„Weise tragen auch Maulwürfe, Kaninchen und andere Thiere, die sich unter- 
irdische Wohnungen bauen, zur Unterwühlung des Erdbodens bei und leiten 
gleichzeitig mit ihren oft ausgedehnten Bauten, wie durch eine Art von Drainage 
KENNGOTT, Min., Geol. u. Pal. Il. 31 
      
   
    
   
   
    
   
    
    
    
    
    
   
   
    
      
    
    
  
   
    
    
   
    
   
   
    
    
   
    
  
  
  
  
  
   
   
	        
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