Full text: Handwörterbuch der Mineralogie, Geologie und Paläontologie (2. Abtheilung, 1. Theil, 3. Band)

398 Mineralogie, Geologie und Palaeontologie. 
  
wicklungszustand des Vogelembryo's. Ueberhaupt steht der Archaeopteryx, wenn 
er auch nach seinen Hauptcharakteren bereits ein entschiedener Vogel ist, gleich- 
wohl den Reptilien und namentlich den Dinosauriern näher als irgend eine 
lebende Art seiner Klasse. Wahrscheinlich lebten ähnliche Vögel mit Eidechsen- 
schwanz in der Jura-Epoche zahlreich an Arten und Gattungen. Unter ihnen 
mögen auch Mittelformen gewesen sein, die den Abstand vom Archacopteryx 
zu Dinosauren einerseits, jüngeren Vögeln andererseits ausglichen. 
Die Zahnvögel, Odontornithes, der Kreide-Epoche sind am besten vertreten 
durch die beiden schon mehrfach genannten Gattungen aus den Meeresab- 
lagerungen der oberen Kreide von Nord-Amerika, von denen die eine an die 
Strausse sich anlehnt, die andere einen Flugvogel darstellt. Sie weichen unter 
sich weit ab und mehr noch vom langgeschwänzten und fiederschwänzigen 
Archaeopteryx des oberen Jura. Sie sind bereits um eine gute Stufe mehr aus- 
geprägte Vögel, die den Reptilien-Typus noch mehr abgestreift haben. 
Muthmaasslich gab es während der Kreide-Epoche viele solcher Zahnvögel 
in verschiedenen Abstufungen. Man kennt auch aus Kreide-Schichten noch ziem- 
lich viele Vogelreste, namentlich noch einige aus der Kreide von Kansas, andere 
aus gleichalten Lagern des Ostens von Nord-Amerika, noch andere auch aus 
Europa. Aber unter diesen Resten ist keiner so weit vollständig, dass man 
darüber sicher entscheiden könnte, ob er einem Zahnvogel angehört, oder ob mit 
ihm die zahnlosen Vögel schon anheben. 
Hesperornis regalis MArRsH aus der oberen Kreide (Pteranodon Beds) von 
Kansas, war nach O. C. MansH ein grosser fleischfressender, schwimmender und 
tauchender Strauss. Er ist nach dem ganzen Skelett bekannt und hatte nahe 
sechs Fuss Länge (1,8 Met.) 
Der Schädel war lang und schmal. Die Kiefern waren mit spitzen etwas 
gekrümmten Zähnen besetzt, die in einer Rinne derselben sassen. Es waren 
I4 oben und 33 unten. Der Zwischenkiefer war zahnlos — wahrscheinlich also 
mit einer Hornhaut bedeckt. 
Schultergürtel schwach gebaut. Das Brustbein war ungekielt, dabei dünn 
und schwach. Die Vordergliedmaassen waren zurückgegangene, bereits zum Fluge 
nicht mehr geeignete Flügel.  Deutlich ist davon nur noch der dünne und 
schwache Oberarmknochen (Zumerus). 
Beckengürtel kráfüg gebaut, aus vollkommen verschmolzenen Knochen zu- 
sammengesetzt. Die Hintergliedmaassen waren sehr ühnlich denen der heutigen 
Schwimmvôgel und von sehr kráftigem Bau. Fuss vierzehig, ganz ühnlich dem 
der Taucher (Co/ymbzdae). 
Der Hals war schlank und bestand aus 17 Wirbeln. Dazu kamen sechs Rumpf 
wirbel und 14 zu einem Heiligenbein (sacrum) verwachsene Sacralwirbel. Der 
Schwanz warkurz und stark. Er bestand aus 12 zum Theil mit einanderverbundenen 
Wirbeln. Zusammen 49 Wirbel. 
Die Knochen waren nicht pneumatisch. 
Was die genauere natürliche Stellung im System der fossilen und lebenden 
Vögel betrifft, so gehört Hesperornis nach O. C. MarRsH zu den Straussen, 
denen er sich in den wichtigeren Charakteren anschliesst, wogegen seine Aehn- 
lichkeit mit Schwimmvögeln nur auf einer Anpassung an die schwimmende 
Lebensweise beruhen soll. Es fehlt auch nicht an nahen Beziehungen zu Dino- 
sauriern. Jedenfalls bedeuten aber die zurückgegangenen und rudimentär ge- 
wordenen Flügel, dass Hesperornis noch Flugvogel zu Vorfahren hatte und nicht 
   
    
    
     
  
  
  
  
  
   
    
  
  
   
    
  
   
    
    
   
    
  
   
   
    
    
     
  
  
  
    
   
  
 
	        
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