414 Mineralogie, Geologie und Palaeontologie.
Substanz unterbrochene Wachsthum von Neuem eintreten kann, wenn neue
Substanz dazu kommt, weil in den Krystallen selbst die Bedingung des Wachs.
thums liegt. Die Ausbildung aber verschiedener Krystallgestalten bei Individuen
derselben Species, verschiedener einfacher oder der mannigfaltigen Combinationen
làsst sich zur Zeit noch nicht erklären, wenn auch in vielen Fällen die künstlich
eingeleitete Krystallisation nicht mineralischer Substanzen zeigt, dass meist fremd-
artige Stoffe darauf einen Einfluss ausüben. Auch die äusserst interessante
Zwillingsbildung lässt sich noch nicht erklären. Immerhin aber zeigt das Vor-
kommen der Krystalle, dass in der Regel unter gleichen Umständen gebildete
Krystalle eine nahe oder gänzliche Uebereinstimmung in der Gestaltung zeigen
und dass in dieser Beziehung die Paragenesis der Minerale noch Manches zur
eventuellen Erklärung beitragen kann. Auch die Ausbildung bestimmter Ge-
stalten bei Mineralen, welche in derselben Gesteinsart an verschiedenen Fund-
Orten vorkommen, zeigt, dass in den meisten Fällen die verschiedene Ge-
staltung an Krystallen derselben Art von für sie äusseren Verhältnissen ab-
hängig ist.
Auch der Isomorphismus spricht für die Wahrscheinlichkeit der angedeuteten
Theorie, dass die bestimmte Gruppirung der Atome in den Krystallmoleculen
anzunehmen ist, sowie der Dimorphismus oder Polymorphismus zeigt, dass die-
selbe Substanz, von elementaren Stoffen an bis zu complicirten Verbindungen
verschiedene Krystallisation finden lassen kann, wenn durch dieselben Atome ge-
staltlich verschiedene Krystallmolecule durch eine andere Anordnung der Atome
gebildet werden.
Da aber zur Krystallisation gasiger oder tropfbarer Substanzen, zur Bildung
der Krystallmolecule und zur Entstehung der Krystalle der gasige oder tropfbare
Zustand anzunehmen ist, das weitere Wachsthum entstandener Krystalle die Zu-
fuhr derselben Substanz in gasigem oder tropfbarem Zustande erfordert, so ist
schliesslich noch zu bemerken, dass die Bildung von Krystallmoleculen auch
eintreten kann, ohne dass die bezügliche Substanz gasig oder tropfbar ist. Dies
zeigt sich bei der seltenen Erscheinung der sogen. Paramorphosen (s. pag. 97),
zu deren Erklirung man anzunehmen gezwungen ist, dass die Anordnung der
Atome in den vorhandenen Krystallmoleculen sich ändert, ohne dass die vor-
handene Substanz gasig oder tropfbar geworden ist. Der Uebergang des klino-
rhombisch krystallisirten Schwefels in die orthorhombische Modification des
Schwefels, die lange bekannte Paramorphose des Calcit nach Aragonit und die
des Disthen nach Andalusit dienen als Beispiele, denen sich jetzt der Leucit an-
reiht, dessen ursprünglich tesseralen Krystalle nicht allein in Folge von Tempe-
raturabnahme durch Differenzirung der Achsen, also nothwendig durch Aenderung
der Krystallmolecule orthorhombische Combinationen darstellen, sondern sogar
vielfach verzwillingt sind. Hierdurch wird auch angedeutet, dass die Zwillings-
bildung unmittelbar mit dem Beginne der Gruppirung der Krystallmolecule Hand
in Hand geht.
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