Full text: Handwörterbuch der Mineralogie, Geologie und Paläontologie (2. Abtheilung, 1. Theil, 3. Band)

   
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Wanderungen der Pflanzen und Thiere im Verlaufe der geologischen Epochen. 417 
biete noch fast nichts — und das fast vollständig vereiste Festland oder Inseln- 
Gebiet des Südpols wird wohl kaum je einen Einblick gewähren. Es müssen 
in diesem Gebiet ähnliche Vorgänge stattgefunden haben wie im Umkreis des 
Nordpols. Doch ist der, Gegensatz beider Pole in der Continental-Gestaltung 
augenfillg und um den Südpol herum zeigt die Besetzung der Inseln und Fest- 
lünder mit Pflanzen und Thieren nur wenig Eigenthümliches und vielleicht nichts, 
was einen ehemaligen Landzusammenhang bezeugen kónnte. Selbst Neu-Holland 
und Neu-Seeland dürften niemals in Verbindung gestanden haben. 
Wir beginnen mit den Wanderungen und Verschiebungen der Pflanzenwelt 
im Verlaufe der klimatischen Verschiedentlichung. 
Zahlreiche Landpflanzen aus den älteren Formationen der höheren Breiten 
deuten auf deren ehedem wärmeres Klima und damit überhaupt auch auf eine 
in älteren Epochen wärmere Temperatur der gesammten Erdrinde. 
In auffallender Weise gilt dies von den baumartigen Formen der Gefäss- 
Kryptogamen, namentlich den Equiseten, Lycopodiaceen und Farnen. Sie 
spielen hier eine Hauptrolle in der Landflora, besonders in der Steinkohlen- 
Epoche und im Rothliegenden, worauf sie allmählich in den Hintergrund treten. 
Baumfarnen finden sich heutzutage nur in der tropischen und der subtropischen 
Zone — 23° nördl. Br. (Mexiko) bis 46° südl. Br. (Neuseeland) besonders unter 
18—21? mittlerer Jahrestemperatur. Sie verschwinden aus der Flora von Europa 
beiliufig mit Ende der Kreide-Epoche. 
Die Cycadeen, heute ebenfalls meist von tropischer Verbreitung, spielen 
wührend der mesozoischen Periode neben den Nadelhólzern eine hervorragende 
Rolle und erweisen das damalige würmere Klima. Sie nehmen nachmals an der 
Verschiebung vom Nordpol zum Aequator áhnlichen Antheil wie die Baumfarnen, 
wandern aber erst etwas spüter ganz aus. Ihr Vorrang verliert sich im Verlaufe 
der Kreide-Epoche. In Grónland finden sich in der Cenoman-Stufe unter 70° Br. 
noch Cycadeen. Die letzten Cycadeen erscheinen in Europa im Miocán, ebenso 
in Ost-Asien (Sachalin. Heute sind die, Cycadeen auf der nórdlichen Halb- 
kugel bis zum 32 oder 33? nórdl. Br. zurückgewichen. 
Die Coniferen, die bereits im devonischen System mit Araucarien und 
Aporoxylon anheben, deuten ebenfalls auf ein wármeres Klima wáhrend der 
älteren und mittleren Formationen. Sie lassen nachmals eine ganze Reihe von 
meridianen aus der Nordpolarregion ausgehenden Wanderungen erkennen, die 
zum Theil mit seltsam versprengten Abkómmlingen enden. So schliesst GZzg&o 
(Salisburia) eine schon in der Jura-Formation hervortretende Coniferen-Gattung, 
für Europa im oberen Miocán von Italien mit einer Art und dieser nahe ver- 
wandt lebt noch eine andere Art, die einzige noch übrige der Gattung, in China 
und Japan (Gingko biloba L.). 
Etwas zahlreicher an lebenden Arten ist die geologisch sehr alte Gattung 
Araucaria. Sie mag beilüufig in der Jura-Epoche entstanden sein. Aber diese 
Arten sind weit versprengt und finden sich nur in den Tropen und in den ge- 
mássigten Zonen der südlichen Halbkugel (Brasilien, Chile, Australien). Sie haben 
alle den Aequator überschritten. Europa scheinen sie hauptsächlich mit Schluss 
der Kreide-Epoche — oder spätestens im Eocän — also im Ganzen in Gesell- 
schaft der Baumfarnen und der Mehrzahl der Cycadeen verlassen zu haben. Aus 
der nördlichen Halbkugel sind die Araucarien heute vollständig verschwunden. 
Im Gegensatz zu ihren geologisch uralten und mit wenigen weithin ver- 
sprengten Arten ausgehenden Gattungen und Familien hat die Classe der Nadel- 
KENNGOTT, Min, Geol. u. Pal. III. 27 
    
   
   
  
  
  
  
  
   
   
  
   
  
  
  
  
  
  
   
  
   
   
   
  
  
  
  
   
   
   
   
   
  
   
  
  
   
   
  
  
  
  
  
   
   
   
  
   
   
   
    
	        
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