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Die Messung der elektrischen Leitfähigkeit gewährt ein so bequemes
und empfindliches Hilfsmittel zur Feststellung von Ionenkonzentratio-
nen und somit von Dissoziationsgraden, daß es auf sehr viele Stoffe
angewendet worden ist, und eine große Fülle von einzelnen Ergebnis-
sen gebracht hat.
Lösen wir einen Elektrolyt in Wasser auf (es sollen zunächst aus-
schließlich wässerige Lösungen betrachtet werden), so zerfällt er teil-
weise in seine Ionen, und es tritt ein Gleichgewicht ein, das durch die
chemische Formel K'+ A’= K-A dargestellt ist, wo K) das Kation,
A’ das Anion und K-A das nichtdissoziierte Salz bezeichnet. Sind a,
und a, die Konzentrationen der beiden Ionen, b die des unzersetzten
Teils, so ist wieder a, =— a, = a zu setzen; während aber beim Gleich-
gewicht erster Ordnung diese Konzentrationen nur von der Tempera-
tur und dem Drucke abhängen, ist hier eine Freiheit mehr vorhanden,
und man kann noch über eine der Konzentrationen beliebig verfügen.
Aus experimentellen Gründen ist dies die Gesamtkonzentration des
Elektrolyts a -+ b, denn man kann die Ionen nicht einzeln handhaben.
Die Gleichung lautet demnach a,/b == k und wird sehr viel angewendet.
Um die Konzentration a der Ionen 'zu bestimmen, bedient man
sich des gleichen Mittels wie beim Wasser: man vergleicht die molare
Leitfähigkeit des Elektrolyts mit dem Grenzwert für unendliche Ver-
dünnung. Ist ww, die Leitfähigkeit bei der Verdünnung (Mol im Liter)
v und oo die bei unendlicher Verdünnung oder der Grenzwert der
Leitfähigkeit, so ist U, /Uo = a (S. 436) der dissozlierte Bruchteil und
a/v die Konzentration der Ionen, während (1 — a)/v = b die Kon-
zentration des nichtdissozlierten Anteils ist. Werden diese Werte in die
Gleichung gesetzt, so folgt:
2 2
Sn = k Oder: =
(1—a)v, Ho (oo — U) V
als Ausdruck für den Einfluß der Verdünnung v auf die molare Leit-
fähigkeit (Ostwald 1888).
Diese Gleichung gestattet folgende Schlüsse. Ist a sehr klein, so ist
i—a von I nicht erheblich verschieden, und die Gleichung geht über
in a» = vk, d. h. der Dissoziationsgrad und somit die molare Leit-
fähigkeit wächst wie die Quadratwurzel aus der Verdünnung. Dies Ge-
setz ist für wenig leitende Elektrolyte lange vor Aufstellung der Disso-
ziationstheorie erfahrungsmäßig gefunden worden (Kohlrausch 1878).
Im übrigen wächst a beständig mit v, aber nicht unbegrenzt. Für
sehr .große v muß der Ausdruck a?/(ı — a) gleichfalls sehr groß wer-
den, da k eine Konstante ist. Dies geschieht, indem sich a der Ein-
heit nähert. Das heißt, daß alle Elektrolyte mit steigender Verdünnung
zwar immer größere Werte der molaren Leitfähigkeit annehmen müssen;
dies nähert sich aber einem Maximalwerte, der nicht überschritten
werden kann und der dem vollständie dissoziierten Elektrolyt zukommt.
Elektrochemie