Full text: Handwörterbuch der Chemie (2. Abtheilung, 3. Theil, 1. Band)

352 Handwörterbuch der Chemie. 
dunstet in gelinder Wärme, worauf in der Kälte allmählich das Narcein herauskrystallisirt. Die 
weiter verdampfte Mutterlauge giebt an Aether das Meconin und den Rest des Papaverins ab, 
von denen nur letzteres durch Salzsäure gelöst wird. 
Anstatt des Opiums können auch die getrockneten Samenkapseln des Mohns auf Morphin 
verarbeitet werden, wozu schon TILLOY (31) eine Methode angab. Man hat vorgeschlagen (32), 
dieselben anstatt des Opiums als Material für die Gewinnung des Morphins nach dem MOHR’schen 
Verfahren zu benutzen, um diese von der Opiumgewinnung unabhängig zu machen. 
GOBLEY (33) empfiehlt, das Opium zunächst mit Terpentinöl bei 1009 auszuziehen, um 
das Narcotin und eine kautschukartige Substanz zu entfernen und dadurch die Reindarstellung 
des Opiums zu erleichtern. 
Eigenschaften. Das Morphin krystallisirt aus Weingeist in weissen, seide- 
glänzenden Nadeln oder beim langsamen Verdunsten in derberen, durchsichtigen 
Prismen des rhombischen Systems (40, 41). Spec. Gew. 1,317—1,326 (43). Die 
Krystalle enthalten 1 Mol. Krystallwasser, welches bei 100° entweicht (79). Nahe 
über 120° schmilzt das Morphin und erstarrt beim Erkalten zu einer strahlig 
krystallinischen Masse. Durch sehr vorsichtiges stärkeres Erhitzen lassen sich 
kleine Mengen unzersetzt sublimiren (42). 
Das Morphin ist geruchlos, schmeckt im trocknen Zustande schwach, in 
gelöstem stark bitter, wirkt in sehr geringen Dosen schlaferregend, in grösseren 
stark giftig. Es löst sich in 40 Thln. kaltem, in 30 Thln. siedendem, absolutem 
Alkohol. 
1 Liter Wasser lóst bei 10? 0,1 Gramm, bei 20? 0,2 Gramm, bei 30? 0,3 Gramm 
und bei 40? 0,4 Gramm Morphin. Ueber 45° nimmt die Löslichkeit rascher zu 
(108). In reinem Aether, in Benzol und fetten Oelen, nach PrEscoTT (44) auch 
in reinem Chloroform, ist es fast unlöslich. Von kaltem Amylalkohol bedarf es 
etwa 400 Thle., von siedendem 90 Thle, von kaltem Essigäther gegen 500 Thle. 
zur Lösung. Sehr leicht wird es von den wässrigen Lösungen der Alkalien und 
alkalischen Erden gelöst. Von wässrigem Ammoniak (spec. Gew. 0,97) sind 
117 Thle: erforderlich. In kleiner Menge wird das Alkaloid auch von kohlen- 
saurem Ammoniak und Salmiak aufgenommen. In frisch gefälltem Zustande 
lóst sich das Morphin in manchen Lósungsmitteln, namentlich in Aether, viel 
reichlicher, als nachdem es krystallinisch geworden ist. 
Die weingeistige Lósung reagirt deutlich alkalisch. Das Morphin wirkt links- 
drehend.  BOUCHARDAT fand (a),— — 88,04 für die Lösung in verdünnten Sáuren 
(45). In der alkoholischen Lósung ist das Drehungsvermógen ungeführ ebenso 
gross. In alkalischen Lósungen ist dasselbe kleiner. Es wurde für diese von 
HessE (46) genauer bestimmt. 
Reactionen. Mit neutraler Eisenchloridlósung geben Morphinsalze eine intensiv dunkel- 
blaue Färbung (47, 6). Die Reaction ist sehr charakteristisch, setzt aber eine nicht zu grosse 
Verdünnung und die Reinheit des zu erkennenden Morphins voraus. — Wird eine kleine Menge 
Morphin in concentrirter Schwefelsäure gelöst und die Lösung nach 12—24 Stunden oder nach 
kurzem Erhitzen auf 100-—150° mit einem Tropfen Salpetersäure oder einigen Körnchen Salpeter 
versetzt, so entsteht eine prachtvoll blauviolette Färbung, die bald in ein langsam zu Orangegelb 
abblassendes dunkles Blutroth übergeht (48). Anstatt der Salpetersiure kónnen Chlorwasser, 
chlorsaures Kalium und namentlich unterchlorigsaures Natrium angewandt werden. Die Reaction 
gestattet noch die Erkennung von 4i, Milligr. Morphin. — Durch Eisenchlorid wird die auf 
150° erhitzt gewesene schwefelsaure Lósung vorübergehend blutroth, dann violett, schliesslich 
schmutzig grün gefárbt. —- Eine frisch bereitete Lösung von 1—5 Milligr. molybdänsaurem 
Natrium oder Ammoniak in je 1 CC concentrirter Schwefelsäure ruft beim Zusammentreffen mit 
Morphin eine schón violette Fürbung hervor, die bald in Blau, dann in ein schmutziges Grün 
übergeht und endlich verschwindet (49). Diese Reaction übertrifft die mit Schwefelsäure und 
         
   
   
    
  
  
   
    
   
    
  
   
    
   
   
    
    
   
   
   
    
    
    
    
   
    
  
  
   
   
    
    
    
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