356 Handwörterbuch der Chemie.
entstehenden Condensationswassers betrügt nur etwa 7,4, kann aber bis 19
vermehrt werden, wenn man die Dümpfe làngere Zeit durch ein mit siedendem
Wasser gefülltes Reservoir streichen lásst Durch die Anwendung der von den
Dàmpfen selbst gelieferten Wärme gelingt es so, die Concentration der schwachen
Lósung ohne sonstiges Heizmaterial vorzunehmen, so dass alljáhrlich über 1 Million
Kilo Borsäure in den Handel gebracht werden kónnen.
Am Monte Cerboli hat man die Erdspalten, aus welchen der borsáurehaltige
Dampf strómt, mit Cysternen überbaut, in welche Wasser geleitet wird. Nachdem
dasselbe sich hinlünglich gesáttigt hat, wird es in terassenfórmig aufgestellte,
grosse, bleierne Verdampfpfannen gebracht, unter welche die heissen Dámpfe
anderer Fumarolen geleitet werden. Die Lósung wird von den oberen Pfannen
zeitweise in die unteren abgelassen. Statt einzelner Bleipfannen ist in neuerer
Zeit auch eine 300 Fuss lange, schiefe Ebene aus wellenfórmig gebogenen Blei-
platten in Anwendung gekommen. Die Borsáurelósung fliesst langsam über die
durch Fumarolen erhitzte Fläche herab und wird, nachdem sie sich durch
Decantation geklärt hat, in mit Blei ausgeschlagenen Bottichen znm Krystallisiren
gebracht. Die auf solche Weise erhaltene rohe Borsáure enthált 74— 844. reine
Borsáure, ausserdem Sulfate des Ammoniums und der Alkalimetalle etc.
Die Frage nach dem Ursprung der Borsáure in den Fumarolen ist noch nicht
bestimmt beantwortet.
Nach Dumas (11) soll ein Schwefelbor, nach WARINGTON (12) ein Stickstoffbor in
der Tiefe der Erde durch den Wasserdampf zersetzt werden. BOoOLLEY (13) erklärte
die Borsäurebildung durch die Wirkung von Salmiaklösung auf borsäurehaltige
Mineralien, BEcur (14) und andere sind der Ansicht, dass Wasserdampf allein oder
mit Kohlensäure aus borsäurehaltigen Mineralien die Borsäure frei zu machen
vermöge.
Natürlich vorkommende borsaure Salze werden ebenfalls auf Borsäure und
Borsáureprüparate verarbeitet. Der Borax (zweifach saures Natriumborat) wird
schon seit den àltesten Zeiten unter dem Namen Tinkal aus Indien importirt.
Boracit (borsaures Magnesium mit Chlormagnesium) und Boronatrocalcit (borsaures
Natrium mit borsaurem Calcium) finden sich besonders in den Stassfurter Salz-
lagern, sowie in Californien und Nevada in vulkanischen, an heissen Salzquellen
reichen Gegenden, wo ebenfalls die Gewinnung von Borax betrieben wird.
Zur Darstellung reiner Borsüure wird am besten der Borax des Handels in
siedendem Wasser gelóst und durch Zusatz von soviel conc. Salzsáure zersetzt,
dass die Flüssigkeit Lakmus kräftig rothet. Die Reaction erfolgt nach der
Gleichung: Na,B,O, -4- 2H Cl -- 5H,O — 4B(OH), 4- 2NaCl Beim Erkalten
scheidet sich die Borsáure in Form farbloser Bláttchen aus, welche durch Um-
krystallisiren von fremden Salzen und durch Erhitzen in getrocknetem Zustande
von anhüngender Salzsáure befreit wird.
Die Borsäurekrystalle gehôren nach KENNGOTT (15) zum monoklinen, nach
MiLLER (16) zum triklinen System. Sie lósen sich in dem 25'6fachen Gewicht
Wasser von 15? und im 2:9fachen Gewicht siedenden Wassers; beim Erkalten
krystallisirt also der grösste Theil der Säure aus. Die Löslichkeit bei anderen
Temperaturen wurde von BRANDES und FIRNHABER (17) und von DITTE (18) bestimmt.
Längere Zeit auf 100° erhitzt, geht die Borsäure unter Wasseraustritt in Meta-
borsäure, BO-OH (ScHAFFGOTSCH) (19), über.
Bei 160° entsteht eine von EBELMEN und BouquET (20) Tetraborsáure,
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