528 Handworterbuch der Chemie.
leiber, sondern den Osirisleib einbalsamirenden Priester Chemiker. Man weiss
schon aus Athenodoros (67), dass die Statue des Osiris aus einem Präparat ge-
gossen ward, welches aus sámmtlichen sechs Metallen (Quecksilber wird nicht
genannt) und einer Reihe von Edelsteinen gestossen und zusammengeknetet be-
stand; desgleichen die des Sarapis, was auch Rufinus bestätigt (68). Die ganze
Masse wurde ausserdem cyanblau gefärbt, so dass die Statue schwärzlich aussah.
Alles dies bestütigen nun hieroglyphische Inschriften der römischen Kaiserzeit
im Tempel von Tentyra, welche eine bis in's Einzelste gehende Beschreibung
von der Anfertigung der Statuette des unterirdischen Osiris geben, die nachher
in eine andere des Gottes Sochar gesteckt ward. Sie zählen nicht weniger
als 24 Mineralien auf, welche zerstampft und mit vielen Vegetabilien ver-
mischt für den Guss verwendet wurden (69). Der vom typhonischen Feuer
getódtete schwarze (70) Osiris, in sich alle buntfarbigen Minerale bergend,
dann wieder auflebend und als junger Horos hervorbrechend: was hitten die
Bereiter seines mystischen Leibes mit der Durcheinanderknetung der irdischen
Stoffe anders darstellen wollen, als dass sie alle die Seele des einen dunklen
Gottes durchzieht? und umgekehrt, war dies nicht praktisch die erste Verwirk-
lichung der metallischen Metempsychose in der schwarzen Brühe aus allen móg-
lichen mineralischen, vegetabilischen und animalischen Stoffen? Oefter hórt man
von Zusammenstellungen verschiedener Metalle zur Bildung von Statuen, z. B.
der des Sochar (71), oder von Einschachtelungen, wie die, in welchen das
hermetische Zauberbuch am Grunde des Nil liegt (72): allein erst diese Zu-
sammenarbeitung der Osirispaste darf man als die erste chemische Operation
ansehen, eine job} ynpuela, insofern sie den speculativen Zweck des mineralischen
Alls in dem Einen und umgekehrt hat, und nicht wie die vielen Electuarien im
Papyros-Ebers der Medicin dient. Darnach verdankt die Chemie ebenso wie die
Astronomie ihren Ursprung der Theologie; weder von der Sucht nach Gold, noch
von der Zauberei ist sie ausgegangen. Wie spät in's Mittelalter hinein unter
Chemikern das Andenken an den Osiris-Sarapisleib erhalten, zeigt die Ueber-
tragung seiner Bildung auf den Hermes, den Regenten des Quecksilbers und
also des Verwandlungsprincips, bei den einem philosophirenden Heidenthum er-
gebenen Collegen in Harrän in Mesopotamien. Auf diese geht zurück, wenn
dort die Statue des Mercur ein Hohlguss aus allen Metallen und Porzellan, in-
wendig mit Quecksilber ausgefüllt, war (73).
Noch weitere Beweise des Ursprungs der chemischen Idee im ägyptischen
Priesterthum fallen in die Augen. Oftmals wird das feuchte, schwarze Präparat,
wenn es bei der Sublimation aus dem unteren Gefäss durch den Cylinder in die
obere Kugel steigt, wobei öfter, um die Goldfarbe zu erzielen, Schwefel hinzu-
gesetzt wird, und es also zur Erweckung des Osiris bereit ist, das »göttliche,
unberührbare (&dıxtov) Wasser« oder auch »das gesegnete Wasser« genannt, Aus-
drücke, mit welchen, wie das Gesprách der Kleopatra mit Ostanes (74) deutlich
zeigt, angespielt ist auf das mystische Wasser, welches Osiris der todten Seele
zu ihrer Láuterung und Erhaltung zu trinken giebt (75), und mit dem Isis den
todten Horos lebendig machte (76).
Es ist dasselbe wie jenes »durchsichtige Wasser«, welches in der Parabel Isis an Horos (77)
der Hohepriester, d. h. Choachyt (78) Amnaél mit dem Abzeichen des Urüus? auf dem Kopf
in dem Kruge trug; dasselbe, welches bei der Isismesse der ministrirende Priester wie eine
Hostie vor den Augen der Gemeinde im Hydreion emporhub (79): eine Ceremonie, auf welche
die viel berufenen Worte des Demokritos von der »Erhebung der Wolke und des Wasserse,
für